Ich hab Kreislauf – 21. Sri Chinmoy 6 Stunden Lauf Nürnberg

Ich hab Kreislauf – 21. Sri Chinmoy 6 Stunden Lauf Nürnberg

Ich hab Kreislauf – 6 Stunden lang möchte ich um die Wöhrder Wiese im Kreis laufen und dabei meinen ersten Ultra Marathon begehen. Wie es mir dabei erging findet ihr in diesem Laufbericht.

Freitag Abend: Ich packe meine Tasche. Die Schublade mit den sommerlich kurzen Laufklamotten bleibt geschlossen, statt dessen wandern verschiedene warme Langarmhemden und Thermohosen in meine Reisetasche. Von der Frühlingssonne der letzten Tage ist schon jetzt nichts mehr zu sehen, stattdessen dominieren dunkle Wolken, für Morgen ist Regen angekündigt sowie stürmige Böen. Regenjacke und Mütze sind daher ebenfalls Pflicht und wandert daher ebenfalls in die Tasche. Bereits eingepackt: Meine Schatzkiste, nicht mit Edelsteinen und Goldmünzen gefüllt sondern mit wahren Läuferschätzen – Energie Gels. Die Kiste war das Beste was ich als Behältnis für meine Eigenverpflegung gefunden habe. Neben dem Nötigsten habe ich noch einen kompletten Satz an Ersatzkleidung dabei, inkl. Schuhe, trockene Straßenkleidung für danach, Handtuch, Laufgürtel, Startnummerband sowie Getränke. Die Tasche ist am Ende randvoll, ich plane sie in einem Umkleidezelt zu bunkern um mich bei Bedarf schnell umziehen zu können. Kaum ist die Tasche fertig gepackt erhalte ich eine E-Mail: Die Umkleidezelte werden wahrscheinlich nicht aufgebaut, wegen Regen und Wind… sieht so aus als müsste ich mich doch zu Beginn festlegen.

Eigentlich habe ich keinen Grund mich zu beschweren, ich bin den ganzen Winter über bei Schnee, Eis, Regen und Dunkelheit gelaufen. Sonnig warm war es hingegen erst in den letzten Tagen, in denen ich jedoch, dem Tapering Rechnung tragend, kaum gelaufen bin. Ich bin das Schmuddelwetter daher deutlich besser gewöhnt. Dennoch, die Aussicht 6 Stunden lang durch Regen und Wind meine Kreise zu ziehen versetzt mich nicht gerade in Hochstimmung.

Die Sachen sind nun jedenfalls gepackt, drei Monate Vorbereitung hiermit abgeschlossen, bin bereit, morgen kann’s losgehen.

VorbereitungWährend meine Vorbereitungen auf meinen ersten Halbmarathon und Marathon eher schlecht als recht verlief habe ich mir für meine ersten Ultra-Schritte schon früh einen detaillierten Trainingsplan ausgearbeitet und, bis auf wenige Abweichungen, auch wie geplant durchgezogen. Insgesamt blicke ich auf über 840 Trainingskilometer in den letzten 12 Wochen zurück, dabei ging es 7 mal über einen Halbmarathon oder länger, weitere 4 mal über 30 Kilometer oder mehr, weitere zwei Mal über die Marathon Distanz und einmal über gut 45 Kilometer. Egal wie der Wettkampf für mich ausgeht die letzten Monate waren sehr lehrreich für mich: Zum ersten Mal habe ich wirklich strukturiert trainiert und habe sehr positiv erlebt wie sich dieses Training auf meinen Körper auswirkt.

Leider plagen mich ausgerechnet zu beginn der letzten Tapering-Woche Probleme mit dem linken Bein, zunächst scheint die Achilles Sehne zu schmerzen, dann die Wade. Ob es sich hierbei wirklich um Probleme handelt oder um Taper-Madness? Ich Tape die Problemstellen, ob das was gebracht hat? Keine Ahnung, so oder so am Freitag bin ich beschwerdefrei, ein ungutes Gefühl bleibt jedoch.

Zielfindungsprobleme

Meine Anmeldung zu diesem 6 Stunden Lauf liegt bereits sehr lange zurück. Ursprünglich wollte ich hier, in dieser sehr kontrollierten Umgebungen, meinen ersten Marathon absolvieren eh ich mich im Mai auf den deutlich anspruchsvolleren Rennsteig begebe. Meine Ungeduld hat mich bereits letztes Jahr in Bad Kissingen über die Marathon Distanz getrieben, so dass für 2017 neue Ziele her mussten. Inspiriert durch einen Laufbericht von Udo Pitsch ist meine Wahl für ein Jahresziel auf den Night52 gefallen, der ende Juli stattfindet. Hier gilt es 52km und 900 Höhenmeter in den Kraichgauer Hügeln zu absolvieren. Mein erstes, naheliegendes Ziel für diesen 6 Stunden Lauf lag somit bei 52km. Beim Erstellen eines Trainingsplans für 52 Kilometer merkte ich jedoch das ich eigentlich schon damals mehr trainiert habe als für flache 52km notwendig wären. 60km wären eine Runde Sache, ein 6Min/KM Schnitt klingt machbar, normalerweise bin ich zwar schneller unterwegs aber mit so langen Läufen habe ich noch keine Erfahrung. Um eine realistische Chance zu haben die 60 KM tatsächlich einzutüten erweitere ich meinen Trainingsplan auf das Ziel von 64km, dies entspricht einer Pace von 5:40 und somit auch genau dem was man braucht um einen Marathon Finish unter 4 Stunden zu realisieren. Halte ich die 5:40 durch bleiben mir 20 Minuten Puffer für Versorgung, evtl. Umziehen, Toilettengänge oder schlicht: Einbrüche.

Nach dem Ableisten des Trainingsplan grübel ich erneut über dieses Ziel, ich bin schneller geworden. Auf geraden Strecken laufe ich eher einen 5:20 Schnitt oder maximal 5:30 ohne mich dabei wirklich anstrengen zu müssen. Ein kleines Hammermännchen auf der Schulter flüstert mir förmlich zu „10 Sekunden schneller pro KM sind auf 6 Stunden schon über 5KM mehr, 65 ist doch viel schöner als 60“, während die Vernunft sagt: „45km waren hart genug, du hast keine Ahnung wie sich 60 anfühlen, versuch erstmal das zu schaffen“, Hammermänchen darauf: „Ach da waren soviele Berge drin, die Wöhrder Wiese ist flach…“ ein scheinbar endloser Dialog. Ich setze mir letztlich folgende persönlichen Ziele und hoffe inständig sie gegen alle Einflüsterungen verteidigen zu können:

Bronze: Mindestens 5:40 laufend verbringen, die oben angesprochenen 20 Minuten für Versorgung, Toilette, Fotos usw. gestehe ich mir zu.

Silber: 52km durchhalten

Gold: 60km durchhalten

Obwohl für dieses Jahr noch fordernde Ziele anstehen soll der Lauf heute mehr als ein Traningslauf sein: Ich hoffe heute die Qualifikation für den Taubertal100 sichern zu können. Einen Lauf der mich fasziniert: Es gilt es von der Burg in Rothenburg die 100km entfernte Burg Wertheim zu erreichen, Aufbruch bei Sonnenaufgang, Ankunft bis spätestens Sonnenuntergang – was der Veranstalter mit 13 Stunden festlegt. Der Lauf beginnt mit einem Fackelzug und den Auftrag eine Botschaft zur Burg zu bringen. Das erinnert mich doch direkt an meine frühere Live-Rollenspiel-Abenteuer. Bei rechtzeitiger Ankunft wartet nicht nur der Ritterschlag sondern auch ein Ritterbankett auf die Läufer. Als Qualifikation wird ein Nachweis verlangt 100km in 13 Stunden laufen zu können, dazu genügt ein Marathon Lauf unter 4 Stunden oder einen nicht näher spezifizierten Ultra der diese Fähigkeit vermuten lässt. Da die Taubertal100 Strecke auch als recht schnell und technisch wenig anspruchsvoll gilt, hoffe ich mit 60km in 6 Stunden bereits diese Qualifkation zu sichern. Starten möchte ich erst im nächstes Jahr um meinen Körper besser auf diese Strapazen vorbereiten zu können und auch noch mehr Wettkampferfahrung zu sammeln, da der Lauf erst im Oktober stattfindet habe ich somit noch mehr als 1,5 Jahre Zeit. Da meine übrigen geplanten Läufe dieses Jahr jedoch alles andere als flach oder einfach sind und somit nur bedingt für Bestzeitversuche taugen, hoffe ich bereits an diesem Wochenende meine Qualifikation sichern zu können. Ob ich das Projekt dann im nächsten Jahr wirklich angehe weiß ich noch nicht, erstmal sehen wie das aktuelle Jahr läuft, Langzeitziele haben mir in der Vergangenheit aber schon oft geholfen die Motivation hoch zu halten.

Samstag

Der Samstag beginnt verregnet, schwere Wolken hängen am Himmel, ich steh früh auf um noch in Ruhe Frühstücken zu können, dann geht es nach Nürnberg. Ich erreichte den Wettkampfort gut einte Stunde vor dem Start. Der Regen hat nachgelassen, im Moment tröpfelt es nur noch. Im Start- und Versorgungsbereich herrscht rege Betriebsamkeit, letzte Vorbereitungen werden abgeschlossen, sogar noch einmal der Bereich vor dem Versorgungsstand gekehrt. Nach kurzer Wartezeit halte ich meine Startnummer in den Händen, die 94. Anders als auf meinen bisherigen Laufveranstaltungen fehlen weitere Werbebeilagen und auch auf dem Gelände kann ich nirgendwo Sponsorenwerbung entdecken, anscheinend wird diese Veranstaltung allein durch die Startgelder finanziert.

Ich mache mich auf den Weg zur etwa 400 Meter entfernt liegenden Insel Schütt, dabei handelt es sich um eine Flussinsel die an beiden Seiten Pegnitz umflossen wird. In der sich hier befindenden Grundschule befinden sich Umkleiden und Duschen die wir nutzen können. Hier wird es nach dem Lauf auch noch einen Imbiss und die Siegerehrung geben. Dort treffe ich auf eine Scharr Mitläufer die sich ebenso auf den Start vorbereiten. Während ich mich umziehe fühle ich mich eigenartig deplatziert, viele unterhalten sich über die Läufe die sie schon erlebt haben oder die sie dieses Jahr planen, da komme ich mir mit dem einem offiziellen Marathon auf meinem persönlichen Zähler etwas verloren vor, ebenfalls wirken sie auch alle so viel durchtrainierter als ich, gehe ich das hier zu früh an? Natürlich sind hier auch eine ganze Menge unauffällige Gestalten so wie ich, aber in dieser Situation nimmt man sehr selektiv wahr, in meinem Fall die Gesprächsfetzen die dazu beitragen mich zu verunsichern. Ich verlasse die Umkleide und möchte eigentlich zum Wettkampfgelände gehen, da es gerade aber nochmal richtig angefangen hat zu regnen, warte ich dann doch lieber noch ein paar Minuten in der Eingangshalle. Zum Glück lässt der Regen bald nach, etwa zwanzig Minuten vor dem Start breche ich auf, es wird Zeit mich bei meinem Rundenzähler vorzustellen.

Bei den Sri Chinmoy Läufen ist es üblich das zweifach gezählt wird: Ein Tracking-Chip befindet sich in der Startnummer, des weiteren wird jeder Läufer einem der Rundenzähler zugeordnet der zusätzlich jede Runde protokolliert. Ich vereinbare mit meiner Zählerin ihr zuzuwinken wenn ich eine Runde abschließe.

Die letzten Minuten vor dem Start nutze ich um noch eines der vier Dixies aufzusuchen, dann begebe ich mich an die Startlinie. Die erste Runde ist etwas kürzer als die folgenden, dies stellt sicher das die 50km Marke, an der auch eine Zwischenzeit genommen wird, genau mit 33 gelaufenen Runden erreicht werden. (Eine Runde hat eine Länge von 1522 Metern)

Unter den Startenden entdecke ich auch Udo Pitsch, ich habe ihn vorhin schon ein paar Mal vorbeihuschen sehen wollte aber zum einen nicht stören, zum anderen war mir selber nicht sehr nach Reden zu mute. Jetzt am Start fühle ich mich etwas entspannter und ich will zumindest mal ein „Hallo“ und ein „Viel Erfolg“ los werden.

Das Feld steht recht locker verteilt, so richtig scheint niemand die vorderen Reihen belegen zu wollen, ich bekomme am Rand den Countdown mit. Viele Mitläufer stimmen nicht mit ein, was wiederum meine im letzten Jahr aufgestellte These untermauert: Je kürzer die Distanz um so mehr „Trallala“ um den Start.

Eine Runde um die Wiese

Die Wöhrder Wiese entspricht weitestgehend einem langgezogenem, im Osten gestauchtem Oval (Ich glaube die Karte beschreibt es besser als ich es in Worte fassen kann). Der Verpflegungspunkt befindet sich im Nordwestlichem Eck, direkt nach der Kurve auf der Außenseite. Danach folgen die Tische für die Eigenverpflegung  – hier ruht auch meine Schatzkiste, dann kommen noch die Sanitätszelte und schließlich die elektronische Rundenzählung gefolgt von den Tischen der Rundenzähler auf der linken Seite. Gegenüber der Rundenzähler befinden sich noch zwei Zelte, eines wird von der Rennleitung zur Moderation genutzt, das andere wird später einer Musikgruppe unterschlupf gewähren. Von hier aus laufen wir im Uhrzeigersinn zunächst die Nordseite ab, zu unserer Linken gibt es das Erfahrungsfeld der Sinne noch nicht zu sehen, der Erlebnisspielplatz wird jedes Jahr etwas umgestaltet und hat für die Saison noch nicht geöffnet. Ebenfalls noch geschlossen ist der gegenüberliegende Biergarten, etwa auf dessen Höhe liegt die Startlinie für Runde eins. (Auf dem Bild mit grünem Pfeil markiert) Es geht zunächst in einer sanften S-Kurve an der Wiese entlang, das Areal in der Mitte ist nahezu vollständig von hohen Bäumen umsäumt, lediglich an der Ostseite, die wir nun erreichen, begrenzen statt der Bäume große Steinquader den Weg. Vor uns liegt, etwas erhöht eine stark befahrene Straße. Unser Weg beschreibt eine enger werdende Rechtskurve, hier geht es gefühlt leicht bergan und knickt dann, auf höhe einer Unterführung, scharf nach rechts ab und schon sind wir auf dem Rückweg. Es geht vorbei an einigen Büro- und Wohngebäuden, mehrere kleine Zugänge stoßen hier auf unseren Rundweg. Da der südliche Teil des Ovals etwas bauchiger ausfällt nimmt dieser Abschnitt den größten Teil der Runde ein. Schließlich geht es wieder nach rechts ab, zu unserer linken befindet sich ein Biotop das von Biebern behaust wird. Auf dem kurzen Wegstück verlieren wir die wenig gewonnen Höhenmeter wieder und biegen in einer scharfen Rechtskurve wieder in Richtung Ziel ein. Eine komplette Runde hat dabei eine Länge von 1522 Metern, die verkürzte Einführungsrunde 1296 Meter. Für mein Wunschziel von 60km sicher zu erreichen muss ich also 40 Runden absolvieren (60654 Meter).

Die erste Stunde

Noch im dichten Pulk traben wir langsam an, ich habe noch nicht die halbe Nordseite abgeschlossen als ich auf der gegenüberliegenden Seite bereits die führenden Läufer vorweg hechten sehe. Ich selbst habe es nicht gar so eilig, achte primär darauf niemanden zu behindern und mich, wo nötig, selbst möglichst gefahrlos durch langsamere Läufer zu schlängeln. Bereits nach einer halben Runde habe ich genug Raum um mein Tempo zu justieren, ich lande etwas unter den angepeilten 5:40, versuche aber zumindest sicherzustellen nicht unter 5:30 zu rutschen. Ich bin bereits kurz vor dem Verpflegungspunkt als mir einfällt das ich eigentlich direkt in der ersten Runde ein Gel zu mir nehmen wollte, zu spät, da ich jedes Geld mit Wasser nachspülen möchte muss ich das noch eine Runde verschieben. Noch recht dicht gedrängt überqueren wir zum ersten Mal die Ziellinie, schnell spult eine Moderatorin unsere Startnummern herunter, wie vereinbart winke ich meiner Zählerin zu, jedoch schaut diese gerade auf das vor ihr liegende Papier und scheint mich nicht zu sehen, wenn mich nicht alles täuscht hat die Dame ohnehin noch einmal gewechselt. Mit ein wenig Sorge das die Runde gezählt wurde mache ich mich auf zur Runde zwei. Tempokontrolle heißt jetzt meine wichtigste Mission, die mir jedoch nur leidlich gelingt wenn ich nicht alle paar Sekunden auf die Uhr schaue werde ich schon wieder schneller, erschwert wird meine Aufgabe dadurch das meine Uhr scheinbar an der Nordost-Seite leichte „Orientierungsprobleme“ hat, hier spring die angezeigte Pace – in den nächsten Runden reproduzierbar – gerne mal auf knapp unter 7 Minuten. Zweite wichtige Aufgabe – Gel Konsum sicherstellen. Diesesmal denke ich dran und nehme das klebrige Zeug rechtzeitig zu mir und spüle mit einem Becher Wasser nach, aber welches? Warmes oder kaltes? Alternativ hätte ich auch noch Saft, Tee, Malzbier, Brühe oder Cola zur Auswahl, ich greif beim kalten Wasser zu. Da es recht kühl ist nehme ich mir vor zunächst jede zweite Runde zu trinken, die nächste Zeit wird mein Rhythmus in etwa so aussehen: Gel + Wasser, Durchlaufen, Trinken, Durchlaufen, Gel + Wasser, bei der Schatzkiste zwei neue Gel Päkchen aufnehmen, Trinken… Klingt an und für sich simpel, aber schon in den ersten Runden merke ich das ich gedanklich öfters abschweife und meinen Einsatz um Haaresbreite verpasse. Ansonsten beäuge ich in der ersten Stunde noch recht interessiert meine Mitläufer: Besonders auffällig natürlich die Spitzengruppe, die mich bereits in meiner dritten Runde zum ersten Mal überrundet, angeführt wird sie von einem durchtrainierten Läufer im blauen Shirt und Stirnband mit der Startnummer 1 (Wie ich später nachgelesen habe handelt es sich um Matthias Dippacher der das Rennen mit Sage und Schreibe 80,475km für sich entscheiden kann), dann wäre da noch eine Gruppe aus drei Läufern die mit scheinbar prall gefülltem Laufrucksack samt Trinkflaschen und Iso-Matte an den Start gehen, ganz offensichtlich bereitet sich dieses Trio auf härteres vor. Neben Läufer nehmen auch einige Teilnehmer das Rennen walkender Weise in Angriff, einige von ihnen mit beachtlichem Tempo.

Nach eine Stunde habe ich ca. 11km auf dem Zähler, das ist etwas mehr als es sein sollte. Mir geht es gut, weder schmerzen die Beine noch habe ich das Gefühl merklich Energie verbraucht zu haben – gut was anderes habe ich nach einer Stunde auch noch nicht erwartet.

 

Die zweite Stunde

Die erste Stunde verging wie im Flug, doch nun hat sich langsam aber sich Routine eingestellt, die Motivationstafeln, die an einigen Bäumen hängen, sind allesamt namentlich adressiert, motivieren sie mich deshalb nicht mich sondern nur „Reiner“, „Doris“ oder „Ursula“? Immerhin die vielen großen gelben Smileys die an den Bäumen hängen grinsen scheinbar für uns alle. Immerhin ist es seit dem Start trocken geblieben, nur ein böigen Wind sucht uns, besonders auf der Südseite immer wieder heim, es ist kühl aber gut auszuhalten.

Mit der Routine lässt meine Konzentration auf das Tempo weiter nach was zwar zu sehr konstanten Rundenzeiten führt, die jedoch konstant zu schnell sind. Ebenfalls bewährte Routine ist das Zuwinken zu meiner Rundenzählerin, ein Zurückwinken, erhobener Daumen oder ein kurzer Zuruf quittiert mir eine weitere bestandene Runde. Meine Aufmerksamkeit richtet sich in dieser zweiten Stunde primär auf mein linkes Bein. Zeitweise zwackt es in der Achillessehne und später in der Wade, die üblichen Verdächtigen. Allerdings verschwinden die Probleme gegen Ende der zweiten Stunde wieder und werden mich auch im weiteren Verlauf nicht nochmal belästigen. Viel Abwechslung gibt es nicht, Zuschauer verirren sich praktisch keine auf die Strecke, ein paar Passanten verweilen dann und wann für ein paar Minuten beäugen uns neugierig oder fragen sich WARUM ZUR HÖLLE man auf die Idee kommt bei Sauwetter sechs Stunden lang um die Wöhrder Wiese zu kreiseln. Kurz vor Ende der zweiten Stunde eröffnet ein, oder besser das einzige, Stimmungscamp auf der Strecke: Eine Frau mit Bongo und blumengeschmückten Fahrrad auf einer Bank klopft einsam aber enthusiastisch ihren Rhythmus.

Das Führungsfeld hat mich inzwischen das ein ums andere Mal überrundet, aber auch mir selbst kommt inzwischen der ein oder andere Rücken merklich bekannt vor. Nicht alle laufen durch, bereits in der zweiten Stunde habe ich den ein oder anderen beim Wechsel zwischen Laufen und Walken beobachtet – jeder wie er mag. Ich hoffe aber so lange wie möglich durchlaufen zu können.

Ich beende Stunde 2 mit gut 22km auf dem Zähler. Außer den wieder verschwundenen Zwickern in den Beinen geht es mir gut, meinen „Ernährungsplan“ habe ich wie geplant fortgesetzt.

Die dritte Stunde

Als ich wieder bei meiner Schatzkiste ankomme stecke ich auch den dort deponierten MP3-Player ein, ein wenig Ablenkung und Zeitvertreib gegen den grauen Tag kann nicht schaden. Im Start- und Zielbereich ist man inzwischen dazu über gegangen die zurückgelegten Kilometer einzelner Läufer anzusagen, eine gute Gelegenheit für mich einmal den Stand meiner Uhr gegen den offiziellen Stand abzugleichen: Beide Weiten decken sich erfreulicherweise erstaunlich genau. In den folgenden Runden versuche ich so viele KM Zwischenstände wie möglich aufzuschnappen um mich einzuordnen, zumindest an Hand der Zwischenstände die ich mitbekomme verorte ich mich im vorderen Drittel. Das ist natürlich nur eine sehr unvollständige Momentaufnahme befriedigt aber dennoch. Nach zwei Stunden sollte eigentlich auch eine Tafel aufgebaut werden auf der die führenden Läufer samt Kilometerstände abzulesen sind, von der ist jedoch bislang nichts zu sehen, erst gegen ende dieser Stunde beginnt man mit Aufbau und Beschriftung. Ansonsten passiert nicht viel, ich ziehe meine Bahnen und vertreibe mir die Zeit mit Beobachten: Eine junge Frau mit Husky passiert unser Wettkampfareal. Das zieht natürlich meine Aufmerksamkeit an, ich liebe Huskies, dieses Exemplar steht jedoch leider scheinbar etwas zu gut im Futter und trottet eher lustlos ihrer Besitzerin hinterher. Die Huskies die ich kenne würden wahrscheinlich ausflippen: Überall Läufer mit denen man um die Wette wetzen kann, das wahre Husky-Paradies. Dann beschäftigt mich noch ein anderes Mysterium: Ein Läufer mit grünem Triathlon Trikot fällt mir jetzt zum wiederholten Male auf, ich habe ihn in den letzten Stunden gefühlt bereits mehrfach überholt, aber jedesmal habe ich das Gefühl das sich unser Tempo nur minimal unterscheidet und ich in Zeitlupe an ihm vorbeiziehe. Wie kann das sein? Hat er mich kurze Zeit später wieder überholt ohne das ich es gemerkt habe? Oder macht er regelmäßig längere Versorgungspausen die mir das Überrunden ermöglichen? Oder hat dieser Läufer einfach Doppelgänger auf der Strecke? Mir fällt das im späteren Verlauf noch ein paar Mal auf, das Rätsel bleibt aber ungelöst.

Weitere Veränderung: Die Bongo Trommel und ihre Besitzerin ist nun auf Wanderschaft, trommelt sich entgegen der Laufrichtung. Einzelne Läufer bekommen spezielle Trommelsoli spendiert. Ich beginne mich zu fragen ob sie das über die nächsten drei Stunden durchziehen möchte.

Zur Halbzeit habe ich bereits 33,5 Km zurückgelegt, mein Tempo war in dieser Stunde noch etwas höher als in den Stunden zuvor und somit auf jeden Fall zu schnell. Verpflegung verlief weiterhin nach dem bekannten Schema. Ich freue mich das ich die 20iger Kilometer problemlos abgearbeitet habe, in meinen Traningsläufen über Marathon Distanz waren diese Kilometer für mich immer die schwierigsten gewesen. Dennoch beginne ich langsam aber sicher die zurückgelegte Distanz in den Beinen zu spüren.

Die vierte Stunde

Ich habe frühestens ende dieser Stunde mir ihr gerechnet, deshalb freue ich mich ungemein als ich meine Frau, Susann, bereits am Streckenrand ausmachen kann. Ich halte für eine kurze Begrüßung an, berichte kurz „35km geschafft, alles ok“ und mache mich wieder auf die Reise. Sie ist hier um mich in den letzten harten Stunden mental zu unterstützen, außerdem habe ich sie gebeten einige Fotos zu machen. Meine eigene Kamera habe ich bereits beim letzten Boxenstop an der Schatzkiste zurückgelassen. Die nächsten 2-3 Runden vergehen nun erst einmal wie im Fluge, ich schaue wo meine Frau steht, werde das ein oder andere Mal zum Fotomodell oder nehme einfach nur dankend ein paar aufbauende Worte entgegen. Darüber übersehe ich zunächst den einsetzenden Abbau, meine Rundenzeiten werden langsamer, die Schritte etwas schwerfälliger. Als es Zeit für das nächste Energie-Gel wird ist mir etwas flau, noch nicht schlecht, aber etwas unwohl. Um meinen Magen zu schonen verzichte ich auf das Gel und soviel sei vorweg genommen, ab jetzt ist es vorbei mit der Leichtigkeit. Zunächst steht jedoch erstmal das Erreichen der Marathon Distanz an, nach etwa 3:52 schließe ich die 42,2km ab, damit verbessere ich meine Bestzeit aus dem Training um recht genau 10 Minuten. Das klingt deutlich mehr als es ist, denn meine Trainingsstrecken sind mit 500-600 Höhenmetern gespickt die hier fehlen, über die Bestätigung einen flachen Marathon deutlich unter 4 Stunden laufen zu können freue ich mich trotzdem! Schade das die Zwischenzeit nicht genommen wird, dann hätte ich meine Qualifikation für den Taubertal100 bereits sicher.

Nach vier Stunden stehe ich bei 43,5km. Meine Beine sind inzwischen schwer, damit habe ich gerechnet, womit ich zu dieser Zeit noch nicht gerechnet habe ist ein Gefühl von Schwäche welches sich beginnt im ganzen Körper auszubreiten.

Die fünfte Stunde

Nur noch gut 16km, denke ich mir zu beginn der fünften Stunde, darüber bin ich selber etwas erstaunt. Endlich sind die 60km als festes Ziel im Kopf eingerastet, als Zwischenziel muss die rote Flagge herhalten. Die führenden haben sie schon vor einiger Zeit ins Ziel gebracht, ich werde sie in 3 Runden im Empfang nehmen. Die Rote Flagge erhalten alle Läufer in der Runde, in der sie die 50km abschließen werden. Die Schwäche in mir breitet sich nun von Runde zu Runde weiter aus, nach etwa 4,5 Stunden denke ich zum ersten Mal „Langsam könnte ruhig Schluss sein“. Am deutlichsten merke ich die Erschöpfung am Versorgungsstand, ich gebe es auf die Becher zu schnappen und während des Laufens zu leeren, nach jeder Runde lasse ich mir etwas mehr Zeit beim trinken und trage den Becher ein paar Körbe weiter. Ich trinke nun auch jede Runde, meist einen Becher Cola und einen Becher Wasser. Mein Durstgefühl bekomme ich aber nicht mehr gestillt, ich hätte in den früheren Runden öfters trinken müssen. Meine Pace liegt, wenn ich laufe, knapp unter 6 Min / KM, durch die länger Pausen komme ich auf KM-Zeiten von etwa 6:10. Mein Geschwindigkeitsgefühl hingegen vermittelt mir das Tempo einer altersschwachen Schnecke. Meine Frau wandert noch immer um die Strecke und macht Foto um Foto, ich versuche tapfer beim Passieren nicht gar so leidend auszusehen, aber der Kampf hat begonnen, die letzten KM wollen erfochten werden.

Wie lange spielen die hier eigentlich schon Musik? Die Musikgruppe im Startbereich ist mir bislang nicht aufgefallen. Drei oder vier Musiker mit orientalisch wirkenden Instrumenten spielen ebenfalls orientalisch wirkende Musik. Meins ist es nicht, aber aufgedrungen wird es einem auch nicht gerade, kaum habe ich das Zelt hinter mir gelassen verblasst bereits ihr Gefiedel.

Nun ist es soweit, meine Rundenzählerin winkt mich herbei und überreicht mir die rote Flagge mit der ich mich nun auf den Weg mache. „Super“, „Klasse“ Einige meiner Mitläufer gratulieren mir auf der Strecke, die Meisten sind jedoch, ebenso wie ich, zunehmend mit sich selbst beschäftigt. Daher realisiere ich im ersten Moment nicht das mich jemand anspricht, eine Frau, vielleicht ein paar Jahre älter als ich, erkundigt sich wann man die Flagge erhält. Ich erkläre es ihr und erfahre das mit den 50km ihr erstes Ziel erreicht ist, 60 wären ihr zweites Ziel. Ich antworte das, dies auch meine Ziele für heute sind, ich mir aber Sorge mache ob ich die 60 noch erreichen kann. Sie spricht mir Mut zu, schließlich habe ich die Flagge ja schon und es wäre noch genug Zeit. Ich danke ihr und wünsche ihr viel Erfolg, dann lasse ich sie ziehen, sie wirkt noch deutlich frischer als ich. Leider habe ich versäumt nach dem Namen zu fragen oder mir die Startnummer zu merken. Mich würde wirklich interessieren ob sie ihre 60km geschafft hat, ich würde es ihr von Herzen wünschen.

Trotz Durst lasse ich den Verpflegungsstand aus, meine Frau steht im Zielbereich und vom Einlauf mit der Flagge hätte ich schon gerne ein Foto ohne störenden Becher in der Hand. Sie ist etwas überrascht, hatte nicht mitbekommen das ich bereits mit der Flagge unterwegs bin, dennoch entsteht ein schönes Foto und ich gebe die Flagge bei meiner Rundenzählerin zurück. Meine 50km Zwischenzeit wird bei 4:38:19 genommen, bleiben mir somit noch knapp 82 Minuten für die letzten 10km. 

Die letzte Stunde

Die nächsten Runden ziehen sich elendig, ich fühle mich ausgelaugt und schwach. Immer wieder fängt mich Susann auf der Strecke ab, läuft ein paar Meter mit und unterstützt mich. Ich versuche auszurechnen wie schnell ich laufen muss um die 60km in der Zeit zu erreichen. Das beschäftigt und lenkt ab, für hoch komplexe Rechnungen wie „Ich habe noch 54 Minuten für 6 Kilometer, wie viel Zeit kann ich mir für einen KM lassen?“ brauche ich schon wieder fast eine halbe Runde.  Ich begnüge mich mit der Antwort: Gehen reicht nicht, muss laufen. Aber die ganze verbleibende Zeit zu gehen kommt ohnehin nicht in Frage, an meinem Maximum von 20 Minuten des Nicht-Laufens möchte ich festhalten, bislang bin ich jedoch sehr schonen mit meinem Puffer umgegangen, da ich sehr lange auf das Gehen beim Verpflegen verzichtet habe. So quäle ich mich weiter, Beine sind schwer wie Blei, Körper fühlt sich ausgelaugt an, ich frage mich wo mein Körper überhaupt noch die Kraft auftreibt sich weiterzuschleppen, aber irgendwie geht es. So vergehen die ersten 20 Minuten des letzten Stunde in einem schlimmen Tief. Danach reift die Erkenntnis „Ich pack die 60, da kann nichts mehr anbrennen“, für echte Freude reicht meine Kraft nicht, aber diese Erkenntnis gibt mir die Befriedigung die ich brauche um weiter zu trotten. Meine Pace liegt inzwischen bei etwa 6:40, dazu nach wie vor recht lange Versorgungspausen. Eine halbe Stunde vor Schluss lege ich mich fest: Ich mach die 60km voll, danach werden die letzten Minuten gewandert. Ich lass mir nun bewusst noch mehr Zeit, schnüre die Schuhe noch einmal neu – man tut das Bücken weh, gehe danach eine Minute eh ich wieder antrabe, quäle mich noch eine Runde weiter. Der Anteil der Geher hat in der letzten Stunde deutlich zugenommen, andere laufen, ähnlich wie ich, mit deutlich reduziertem Tempo weiter. Das Führungsfeld wetzt hingegen noch immer Runde um Runde um den Kurs, ich muss mehrfach aufpassen rechtzeitig Platz zu machen, behindern möchte ich niemanden. Auch die Bongo-Dame trommelt noch ohne Unterlass. Für 4,5 Stunden Dauertrommeln hätte sie eigentlich auch eine Medaille verdient, wobei ich nicht verhehlen möchte das mir die Bongo, besonders in der letzten Stunde, zunehmend auf den Geist geht. Dann ist es endlich soweit, etwa 12 Minuten vor Schluss piept meine Uhr zum 60igsten Mal. Geschafft! Ich bekomme tatsächlich ein Lächeln zu Stande. Ich befinde mich etwa auf der Hälfte der südlichen Strecke, meine Frau steht etwas zweihundert Meter weiter am Streckenrand. Ich laufe noch bis zu ihr und berichte, gemeinsam wandern wir am Rand der Strecke weiter. Gemeinsam überqueren wir ein letztes Mal die Ziellinie, von meiner Rundenzählerin erhalte ich einen Holzstab auf dem meine Startnummer gedruckt ist. Beim Ertönen der Schluss-Hupe muss ich den Stab am Streckenrand ablegen, die restlichen Meter werden später vermessen.

Ich schaue auf die Uhr, noch immer ein paar Minuten, die Bänke an der Seite sind verlockend, aber ich trotte weiter. Jetzt wo ich gehe ist mir im Wind ziemlich kalt, mir graut es bereits vor dem Rückweg bis zur Grundschule. Ich habe den östlichen Punkt der Strecke fast erreicht als uns die Hupe erlöst. Geschafft! Meine Uhr zeigt knapp über 61km an. Wir lassen den Stab zurück und machen uns auf den Weg in den Zielbereich. Da Udo knapp vor mir endet warte ich kurz auf ihm um ihn zu gratulieren, auch Mike kommt über die Wiese auf uns zu gewetzt, man sieht der noch frisch aus. Wir unterhalten uns ein wenig auf dem Rückweg. Im Zielbereich erhalte ich von meiner Rundenzählerin die Finisher Medaille. Ich danke ihr für den Zuspruch und das fleißige Zählen, leider scheint sie mich nicht zu verstehen, sie gratuliert mir auf Englisch. Ich versuche meinen Dank ins Englische zu übersetzen, für ein „Thank you“ reicht es gerade noch, mehr bringt mein müder Geist gerade nicht mehr zu Stande.

Nach dem Lauf

Auf dem Weg zur Grundschule kommen wir noch einmal am Verpflegungspunkt vorbei, ich genehmige mir noch einen Becher Wasser und versuche zwei kleine Salzbrezeln zu essen, was mein Magen sofort mit leichter Übelkeit quittiert… Au weia, ich sollte in den nächsten Stunden sehr vorsichtig sein was Essen angeht.

Mir ist fürchterlich kalt ich bin daher heilfroh als wir endlich in der Turnhalle ankommen, hier ist es mollig warm. In der Eingangshalle wird bereits der Imbiss aufgebaut, auch Bänke stehen bereit. Der Weg zu der Umkleide ist mit einer fiesen Falle ausgestattet, besonders für müde Läufer: Einer abwärts führende Treppe mit drei Stufen. Man tut das weh! Trotzdem kann ich mir ein Grinsen nicht verkneifen, hier bildet sich gerade ein echter Stau, offensichtlich bin ich nicht der Einzige mit müden Beinen.

Ich ziehe mich um und reibe mich trocken, gerne würde ich duschen, aber die langen Haare bekomme ich mit dem einem Handtuch das ich dabei habe nicht trocken und an einem Föhn habe ich nicht gedacht. Da ich ohnehin stark ausgekühlt bin und wir noch einen kurzen Zwischenstop im Baumarkt einlegen wollen möchte ich keine Erkältung riskieren, ich freue mich daher auf eine schöne warme Wanne sobald ich zu Hause bin.

In sauberen und warmen Klamotten fühle ich mich jedoch direkt viel besser, ich treffe im Eingangsbereich auf meine Frau, danach geht es an das Buffet. Die Auswahl ist groß, ich gönne mir eine Gemüsefrikadelle und etwas Erbsen und Möhren. Ich esse vorsichtig, so ganz ist die Übelkeit nicht verschwunden, aber etwas Energie muss rein. Meine Portion schaffe ich trotzdem nicht, ich trete sie daher an meine Frau ab. Zum Abschluss gönne ich mir noch ein Schoko-Hörnchen – echt lecker! Danach brechen wir auf.

Ergebnis

Am nächsten Tag rufe ich die Ergebnisse des Laufs ab:

Zurückgelegte Distanz: 60,653km

Platzierung: 27 von 47 in der Altersklasse, Platz 47 von 139 gesamt.

Über die Entfernung bin ich etwas verwundert, 60,653km entspricht genau 40 Runden, ohne Restmeter. Hat es hier meinen Stecken verweht? Ich war jedenfalls ein ganzes Stück von der Startlinie entfernt als das Rennen beendet wurde.

Update: Wie sich herausgestellt hat sind mehrere Stäbe verschwunden, meiner war wohl einer davon. Ob diese nun von Passanten entfernt wurden oder tatsächlich „vom Winde verweht“ bleibt offen. Jedenfalls hat man meine Entfernung, nach Rücksprache, auf 61,003km angepasst.

Die Tage danach

Am Sonntag fühle ich mich noch sehr erschlage und ausgelaugt, nur langsam kehrt die Kraft zurück, ich habe mich wirklich ziemlich verausgabt. Gerade beim Treppen steigen merke ich meine Beine noch sehr stark. Am Montag geht es mir schon wieder viel besser, die Schwäche ist verschwunden, nur die Beine merke ich noch etwas. Am Mittwoch laufe ich zum ersten Mal wieder, 7km regenerativ. Die Oberschenkel sind noch etwas schwer ansonsten geht das schon wieder ziemlich gut, dennoch werde ich diese und auch nächste Woche keine fordernde Läufe unternehmen. Ich gönne mir diese beiden Wochen um im Anschluss wieder gut ausgeruht mit dem Training beginnen zu können.

Persönliches Fazit

Das Erreichen der 60km ist für mich zweifelsfrei ein Erfolg, ein Erfolg für den ich härter leiden musste ich als ich vermutet hätte. Meinen zu frühen Einbruch schiebe ich primär auf drei Fehler:

  • Der Klassiker: Zu schnell gestartet, insgeheim hat das kleine Hammermännchen auf der Schulter wohl doch mehr als 60km gefordert, anders kann ich mir zurückblickend nicht erklären warum ich nicht konsequenter versucht habe meine Geschwindigkeit in den ersten drei Stunden zu reduzieren.
  • Verzicht auf Energie Zufuhr ab Ende Stunde 4: Natürlich hätten 3 weitere Gel Päckchen nicht verhindern können das die letzten Stunden hart werden, die zusätzliche Energie hätte den Einbruch aber zumindest mildern oder noch etwas hinauszögern können. Zurückblickend halte ich die leichte Übelkeit eher für ein Schwächesignal als für echte Magenprobleme.
  • Zu wenig Flüssigkeitsaufnahme: Trotz kühlem Wetter hätte ich bereits früh mehr trinken sollen, ich habe im Anschluss überschlagen wie viel Flüssigkeit ich in den ersten 3 Stunden zu mir genommen habe und bin auf lediglich 1,5 Liter gekommen, definitiv zu wenig.

Aus diesen Fehlern gilt es nun zu lernen. Dennoch lief auch einiges gut:

  • Der Stundenlauf war für mich auf jeden Fall die richtige Wahl für den ersten Ultra, die häufigen Verpflegungsmöglichkeiten, später das Zusammentreffen mit meiner Frau auf jeder Runde, selbst der kleine Zuspruch von meiner Rundenzählerin hat mir sehr gut getan. Mental wären Stunde 5 und 6 mutterseelenallein in einem fremden Wald auf jeden Fall viel härter zu stemmen gewesen als hier auf der Wöhrder Wiese.
  • Meine Marathon Zeit konnte ich deutlich verbessern, wäre das Ziel der Marathon gewesen wäre sogar noch etwas Luft für höheres Tempo.
  • Meine gesteckten Ziele konnte ich erreichen.

Während meine Erschöpfung am Samstag und Sonntag nur wenig Freude zuließ blicke ich nun schon recht stolz auf das geleistet zurück und gehöre nun zum Kreis jener Verrückter die sich Ultraläufer nennen.

Veranstaltungsfazit

Die Veranstaltung wurde absolut routiniert und entspannt durchgeführt, löblich auch die ausführlichen Vorab-Informationen: Wegbeschreibung, Parkmöglichkeiten, Erklärungen zum Ablauf, bis zur Ankündigung das die „Garderobenzelte“ entfallen müssen. Die Versorgungsstation war sehr gut bestückt: Wasser (angewärmt und kalt), Tee, ISO, Cola, Säfte, Brühe, Malzbier – alles da. Dazu Salzgebäck, unterschiedliches Obst und Schokolade, mehr kann man da einfach nicht erwarten. „Nice to have“ wäre ein Bildschirm gewesen der beim Überqueren der Ziellinie die zurückgelegten Runden / KM anzeigt. Die Rangliste wurde nicht wie angekündigt ab der zweiten Stunde sondern eher zur dritten Stunde hin aufgestellt – für mich völlig irrelevant, für die führenden Läufer evtl. störend? Die Versorgung der Läufer nach dem Lauf war auch sehr umfangreich, verschiedene warme Speisen, Kekse, Schokohörnchen, verschiedenste Getränke (Heiß- und kalt), da sollte für jeden was dabei gewesen sein. Die Startgebühr ist mit 50-60 € nicht gerade klein, gerade da es außer dem Lauf keine „Goodies“ wie Shirts o.ä. gibt. Die Erklärung ist relativ einfach: Keine Sponsoren, bei etwa 150 Teilnehmern kommen da keine Unsummen zusammen, bedenkt man allein die große Menge an Helfern die aufgefahren wurden und die unvermeidbare organisatorischen Kosten sowie die Materialkosten für die Verpflegung, hat man für das Startgeld auf jeden Fall Verständnis. Ich habe mich hier sehr gut aufgehoben gefühlt und kann den Lauf daher auf jeden Fall weiterempfehlen!

1 Kommentar

Schreibe einen Kommentar