Inkognito – Tiergartenlauf Nürnberg

Inkognito – Tiergartenlauf Nürnberg

Auf einer 10 Kilometer langen Wettkampfstrecke vermuten mich die wenigsten und auch sonst werde ich, wenn überhaupt, nur von einer kleinen Schaar Ultraläufern erkannt. Es hat auch nichts mit Scham zu tun, weshalb ich unter falschen Namen, Inkognito, an der Startlinie stehe. Wie es dazu kam, erfahrt ihr im folgenden Bericht.

Hinweis: Die Bilder können durch anklicken vergrößert werden. Leider war meine Kamera falsch angestellt, weswegen nur wenig verwertbare Bilder entstanden sind.

Die Geschichte, wie es zur Teilnahme kam, ist schnell erzählt: Einige Arbeitskollegen waren für den Lauf gemeldet, einer von Ihnen hat sich verletzt und kann daher nicht starten. Per E-Mail wurde herumgefragt, ob sich ein Ersatzmann findet, zunächst zögerte ich: Ein 10 Kilometer Eventlauf gehört nicht zu meinem typischen „Beuteschema“. Letztlich dachte ich mir – warum eigentlich nicht, das Ambiente des Zoos ist sicher ein besonderes Lauferlebnis. Ich bot mich an und der Startplatz wurde umgeschrieben.

Warum ich dann doch fast nicht gestartet wäre, ist ebenso schnell erzählt: Eine Erkältung suchte mich etwa einer Woche vor dem Start heim. Die ganze Woche fühlte ich mich mal mehr oder weniger schlapp und die Nase triefte fröhlich vor sich hin. Meine Lunge war frei, sonst wäre die Entscheidung einfacherer gewesen und ich wäre zu Hause geblieben. So kreiselten die Gedanken die ganze Woche über: Vernünftiger ist nicht zu starten, es sind nur 10 Kilometer, der Kollege hat extra bezahlt, um den Startplatz umzumelden.
Am Tag des Rennens nehme ich alles mit ins Büro, was ich für den Lauf brauche und habe mich noch immer nicht festgelegt. Als es Abend wird, fahre ich zum Start: Was soll schon passieren, ich probiere es aus, laufe nicht mit vollem Einsatz, wenn es nicht geht marschiere ich halt – damit werde ich, bei dieser Art von Veranstaltung, sicher nicht der Einzige und die Strecke ist auch nicht viel länger als unsere abendliche Gassi Runde mit den Hunden.

Achtung: Kränklich an den Start zu gehen ist nicht zur Nachahmung empfohlen. Als Faustformel gilt: Begrenzen sich die Beschwerden auf die oberen Atemwege ist ein reduziertes Training prinzipiell möglich, sobald sich die Beschwerden auf Hals oder tiefer erstrecken gilt, bis zur vollständigen Genesung, Laufverbot.

Vor dem Lauf

Ich komme etwa 1,5 Stunden vor dem Start am Gelände an. Der Eintritt in den Park ist, für alle Teilnehmer, kostenlos, kurz vor dem Start dann ebenso für Besucher. Am Eingang werden die Namen mit der Teilnehmerliste abgeglichen. Der Security Mann sucht meinen Namen jedoch vergebens auf der Liste, nachdem ich erklärt habe, dass ich ungemeldet wurde, lässt er mich schließlich passieren.
Die Startnummernausgabe ist im Naturkundehaus, unweit des Eingangs, untergebracht. Nach kurzer Wartezeit bin ich an der Reihe. Doch auch die Dame kann mich nicht auf der Liste finden. Offensichtlich hat die Ummeldung nicht so geklappt wie erhofft, nachdem ich den E-Mail Verlauf meines Kollegen mit dem Orga-Team, den ich einer Intuition folgenden noch kurz vor der Abreise ausgedruckt habe, vorzeige, händigt man mir seine Nummer aus. Somit werde ich heute unter falschen Namen starten, was mir aber herzhaft egal ist.
Die verbleibende Zeit nutze ich, um ein wenig durch den Park zu schlendern und mir die Tiere anzusehen, während des Laufs wird dafür nicht viel Zeit bleiben. Aktuell fühle ich mich zwar geschwächt, ansonsten aber gut, auch das Wetter passt – es ist sonnig aber nicht zu warm. Die Hoffnung, den Lauf tatsächlich laufend durchzustehen, steigt. Auf meinem Streifzug gehe ich auch einen großen Teil der Wettkampfstrecke ab. Die zehn Kilometer Läufer drehen drei Runden durch den Park, alternativ werden 6,6 Kilometer, zwei Runden, angeboten. Abgerundet wird das Programm durch Kinderläufe über eine Distanz von 1,2 bzw. 2,4 Kilometer.

Eine halbe Stunde vor dem Start begebe ich mich zurück zum Eingangsbereich. Die Kinderrennen sind im vollen Gange, es ist voll, dennoch finde ich bald meine Kollegen. Wir unterhalten uns, soweit das bei der Lautstärke möglich ist.
Fünf Minuten vor dem Start schieben wir uns die Startaufstellung. Eigentlich wollte ich mich weiter vorne positionieren um der erwarteten Enge auf dem ersten Kilometer zu entgehen, allerdings stehen alle so dicht an dicht, dass kein Durchkommen möglich ist. Ich war zu lange nicht mehr auf einem Volkslauf, ich starte meine Uhr und stimme schließlich in den gemeinsamen Countdown mit ein.

Das Rennen

Wie erwartet dauert es etwas, bis sich das Läuferknäul auseinanderzieht. Ich überhole im Slalom, während die Zuschauer an mir vorbeiziehen. Wann war ich das letzte Mal auf einer Veranstaltung mit so viel Publikum?
Wir passieren das Affenhaus und die Delfinlagune und biegen rechts ab, es geht bergab, ich nehm den Schwung mit und ziehe an einer Gruppe von Läufern vorbei. Es schließt sich eine lange Gerade an, die an einem See entlang führt. Am See entdecke ich ein paar Flamingos, im Augenblick fordert aber die Laufstrecke meine volle Aufmerksamkeit, wenn ich niemanden anrempeln will.

Wir erreichen den Spielplatz und Streichelzoo, hier wartet das nächste Stimmungscamp auf uns. Kinder wollen abgeklatscht werden, Angehörige feuern ihre Schützlinge an. Der Weg gewinnt spürbar an Höhe, der erste Anstieg beginnt. Ebenfalls ist der erste Kilometer abgeleistet, etwas mehr als fünf Minuten habe ich für diesen benötigt. Das fühlt sich so noch gut an, viel schneller sollte ich aber nicht werden.

Eine ganze Weile geht es bergan. Wir erreichen einen Tunnel, Sichtfenster geben den Blick auf die Unterwasserwelt des angrenzenden Pinguinbeckens frei. Am Tunnelausgang schließt sich das Eisbärengehege an. Von den Tieren ist jedoch nichts zu sehen, sie sind zwar Trubel gewohnt, aber in diesen Ausmaßen scheint es ihnen zuviel zu sein.

In einem weiten Bogen geht es hinauf zur Waldschänke, der steilste Abschnitt. Viele wechseln ins Gehen, das möchte ich mir ersparen, in kleinen, schnellen, Schritten arbeite ich mich den Hang hinauf. Das kostet spürbar Kraft, der Puls geht nach oben und zum ersten Mal spüre ich deutlich, dass ich heute nicht in Vollbesitz meiner Kräfte bin. In den nächsten Runden sollte ich diesen Anstieg langsam angehen.
Auf den Anstieg folgt ein längerer flacher Abschnitt, in sanften Schwüngen verläuft der Weg an weiträumigen Grünanlagen vorbei. Zu meiner linken befinden sich Felsen, an denen Kletterhilfen befestigt sind, einige Kinder wagen gerade den Anstieg. Ich nutze den Abschnitt, um mich zu erholen.
Wir biegen links ab und es geht rasant hinab. Ich verzögere nicht, sondern nutze den Schwung. Am Ende der Rampe steht das bayerische Fernsehen und filmt uns, pflichtbewusst winke ich, wie alle vor mir, in die Kamera. Wir überqueren eine hölzerne Brücke und biegen rechts ab, eine weitere steile Rampe führt eine Ebene tiefer.
Ich nehme den Schwung mit, überhole eine Gruppe von Läufern und versuche mich, auf dem folgenden Geraden Abschnitt wieder etwas auszuruhen. Die Strecke führt, unter anderem, an den Nashörnern und dem Bison Gehege vorbei, Letztere bekomme ich sogar zu Gesicht.
In einer Rechtskurve hat sich das nächste Stimmungscamp positioniert, mit La Ola Wellen werden wir angespornt. Vermutlich um uns etwas Extra Schwung für den zweiten Anstieg mitzugeben. Dieser ist etwas flacher und kürzer als der Letzte und bereitet mir keine Schwierigkeiten.

Wir erreichen erneut einen ebenen Abschnitt, rechter Hand befinden sich die Gehege der großen Raubkatzen, vor uns das des Mähnenwolfs. Auf halben Weg dazwischen befindet sich der Versorgungspunkt. Es herrscht dichtes Gedränge, trotzdem schaffe ich es, mir einen Becher zu angeln.

Wir biegen links ab und durchlaufen einen steinernen Tunnel, das Gelände fällt stark ab und ich möchte wieder den Schwung mitnehmen. Daraus wird aber erstmal nichts, mein rechter Schuh ist aufgegangen und zwingt mich zu einer Zwangspause. Das mich das ärgert, beweist das ich im Wettkampfmodus angekommen bin, wertvolle Sekunden und Schwung gehen verloren bis der Schuh wieder einsatzbereit ist. Ich nehm wieder fahrt auf und lass es rollen, dabei passiere ich das Gazellengehege und ein großes Trampolin bis ich schließlich über die Barken der Zeitnahme laufe. Die erste Runde ist geschafft.
Bislang liege ich gut in der Zeit, der zweite Kilometer lag etwas über der fünf Minuten Marke, beinhaltete aber auch den langen Anstieg zur Waldschänke, Kilometer drei lag – trotz Schuhmissgeschick – knapp unter fünf Minuten.
Erneut laufe ich an den Affen und Delfinlagune vorbei, Kinder und Zuschauer reihen sich dicht an dicht am Streckenrand, die ein oder andere Hand klatsche ich ab.

Den Schwung des folgenden Abstiegs nehme ich mit, auf der langen Gerade nehme ich etwas Tempo raus, Kräfte sparen und an die angeschlagene Gesundheit denken. Ich spüre, wie sich der Puls beruhigt. Jetzt wo sich das Feld in die Länge gezogen hat, habe ich mehr Zeit mich umzuschauen und die Umgebung zu genießen. Vor der Einbiegung zum Streichelzoo kann ich so noch ein paar Zebras entdecken, die mir beim ersten Durchlauf entgangen sind.

Es beginnt der lange Anstieg hinauf zur Waldschänke, zunächst geht es jedoch wieder in den Tunnel und am Eisbärengehege vorbei. Diesmal bekomme ich den Pelzträger zumindest aus der Ferne zu sehen und ich bin heil froh das ausreichend Zaun zwischen uns liegt.

Am finalen Buckel zur Schänke hinauf bin ich, als noch laufender, in dieser Runde in der Unterzahl, auch ich lasse es diese Runde etwas langsamer angehen, das spart Kräfte und ich kann das Tempo auf der folgenden Gerade etwas erhöhen.

Erneut geht es mit Schwung die beiden Rampen hinab, vorbei am Stimmungscamp und schließlich wieder die Rampe hinauf. Mein Tempo hat sich unbeabsichtigt etwas reduziert, ich nehme das so hin, das ich heute nicht auf „Angriff“ laufen kann, war klar, immerhin habe ich nicht das Gefühl, dass ich einen Einbruch fürchten muss. Meine Position hat sich gefestigt, nur noch selten überhole ich, noch seltener werde ich überholt und wenn sind es die gleichen Rücken, die ich am vorherigen Anstieg, selbst überholt habe.

Ein zweites Mal geht es an den Raubkatzen vorbei. In dieser Runde herrscht kein Gedränge am Versorgungsstand, den angereichten Becher nehme ich dankend entgegen, das tut gut. Trotz der abendlichen Stunde besitzt die Sonne noch reichlich kraft, Tempo und Anstiege tragen ihr übriges dazu bei, in strömen zu schwitzen.
Auf dem Weg hinab zur Zeitmessung überrunde ich die ersten Geher, auf der letzten Runde wird sich das nun regelmäßig wiederholen.

Ein drittes und letztes Mal geht es an den Delfinen vorbei, klatsche Kinder ab und biege auf die lange Gerade ein. Mein Tempo entspricht etwas dem der zweiten Runde, es kostet mich jedoch spürbar mehr Kraft, es aufrechtzuerhalten.
Auf meinen Weg hinauf zur Waldschänke kann ich ein paar Plätze gut machen, viele haben sich übernommen, und haben nicht mehr die Kraft, die Anstiege zu laufen. Ein Läufer scheint daran zu verzweifeln, flucht ununterbrochen vor sich hin, während ich langsam vorbeiziehe.
Nachdem der Anstieg geschafft ist, beschleunige ich, keine zwei Kilometer mehr bis ins Ziel. Ein letztes Mal die Rampen hinab, wenig später den letzten kurzen Anstieg hinauf, an den Raubtier und dem Versorgungspunkt vorbei, das Einkehren lohnt sich nun nicht mehr, durch den Tunnel hindurch und über die Zeitnahme. Diesmal biege ich rechts ab und setze zum Zielsprint an. Der Zielbogen taucht früher als erwartet vor mir auf, nach knapp über 50 Minuten habe ich das Ziel erreicht.

Im Ziel

Im Zielbereich hängt man mir die Medaille um, ich steuer den Versorgungsbereich an, während ich langsam wieder zu Atem komme. Die letzte Runde hat einiges an Kraft gekostet und ich bin froh, nun im Ziel zu sein. Ich bin noch dabei mich zu versorgen als eine Durchsage erschallt: „Die Startnummer 1297: Bitte melde dich bei der Zeitmessung, wir wissen nicht wer du bist.“ Mein Blick fällt auf meine Startnummer und ich bin wenig überrascht, dass es die meinige ist.
Ich frage mich bei den Helfern durch und steuer schließlich einen Van, in dem die Technik untergebracht ist, an. Ich erfahre, dass meine Startnummer deaktiviert wurde, durch die Ummeldung wurde eine neue Nummer registriert. Er notiert meinen Namen und verspricht das zu ändern.
Nachdem das geklärt ist, warte ich auf meine Arbeitskollegen, nach und nach erreichen Sie das Ziel. Als alle versammelt sind, werfen wir einen Blick auf die Ergebnisliste: Mein Namen suche ich dort aber vergebens, dafür ist meine Startnummer nun auf meinen Vornamen und den Nachnamen des Kollegen registriert – so bleibe ich nun doch inkognito.
Auch wenn ich gerne noch mit meinen Kollegen ein wenig geblieben wäre, ich spüre deutlich, wie ich auskühle. Das ist meiner angeschlagenen Gesundheit nicht zuträglich, daher verabschiede ich mich direkt und trete die Heimreise an.

Fazit

Die Veranstaltung war ein starker Kontrast zu meinem letzten Lauf: 215 Kilometer Hexenstieg, großteils alleine zu laufen, gegen bunte Massenveranstaltung im idyllischen Tierpark. Zwar fühle ich mich auf den Langstreckentrails wohler, dennoch bin ich froh, dass ich mich schließlich für den Start entschieden habe. Mit dem Ergebnis (Offiziell 50:01) bin ich angesichts der knapp 200 Höhenmetern und meinem Gesundheitszustand sehr zufrieden.
Die Genesung meiner Erkältung hat sich, durch die Teilnahme, in die Länge gezogen. Das war zu erwarten und ein bewusstes Risiko, wie eingehend geschrieben empfehle ich das nicht zu Nachahmung.
Abgesehen von meinem Startnummernchaos lief die Organisation reibungslos. Die Versorgung war einfach gehalten, für einen 10 Kilometer Lauf aber völlig ausreichend.
Für ein Startgeld von 20 Euro kann man sich, vor dem Lauf den gesamten Park ansehen, erhält ein Funktionsshirt und ein Buff Tuch. Das macht die Veranstaltung zum absoluten Schnäppchen, allerdings waren, in diesem Jahr, alle Startnummern in wenigen Minuten vergeben. Wer diesen Lauf erleben will muss daher schnell sein.
Ich kann die Veranstaltung uneingeschränkt empfehlen!

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