Auf den Hund gekommen – Arberland Ultra Trail

Auf den Hund gekommen – Arberland Ultra Trail

Den Arberland Ultra Trail hatte ich, in meiner Jahresplanung, noch nicht auf dem Zettel. Den Startplatz habe ich über ein Gewinnspiel der Zeitung „Dog & Sport“ erhalten. Wie der Name der Zeitung nahelegt, spielt mein Hund diesmal die Hauptrolle – zum ersten Mal überhaupt stehen wir gemeinsam an der Startlinie.

Hinweis: Bilder, zum Vergrößern, anklicken. Leider habe ich meine Kamera vergessen, weswegen alle Fotos mit dem Handy entstanden sind, viele Bilder sind leider nichts geworden, weswegen ich einige schöne Abschnitte nicht zeigen kann. Eilige Leser können wie immer direkt zum Kapitel „das Rennen“ springen.

Was zuletzt geschah

Falls ihr meinen Blog von Zeit zu Zeit besucht, werdet ihr festgestellt haben das einige Laufberichte fehlen. Dies liegt weder an Schreibunlust noch an Ergebnisscharm, viel mehr an größeren Veränderungen die in den letzten Monaten in mein Leben Einzug erhalten haben.
Seit dem Hexenstieg Ultra stand ich an der Startlinie zweiter 24 Stunden Läufe, zunächst in Delmenhorst und etwa einen Monat später in Dettenhausen. Beide Wettkämpfe brach ich nach weniger als der halben Zeit mit massiven Magenproblemen ab. Die Probleme begrenzten sich nicht nur auf die langen Wettkämpfe, sondern traten auch im Alltag auf.
Nach einigen Arztbesuchen war ich schlauer: Ich habe eine Sorbitintolleranz entwickelt. Sorbit ist eine Zuckersorte, ähnlich der bekannteren Lactose oder Fructose, um genau zu sein, um einen Alkoholzucker. Sorbit ist in sehr vielen Lebensmittel und verarbeiteten Produkten enthalten, vorrangig in Obst und Gemüse (z.B. Tomaten, Zwiebeln, Trauben) wird aber auch als Frischhaltemittel oder als „Verflüssiger“ eingesetzt. Nicht zuletzt in vielen Energie Riegeln und Gels. Rückblickend passt dies gut ins Bild: Auf dem Hexenstieg habe ich z.B. fast ausschließlich Brötchen, Brot und Haferkekse gegessen, Energiegels habe ich überhaupt nicht benutzt, in Delmenhorst hatte ich, angesichts der höheren Temperaturen, versucht meinen Energiebedarf flüssig, mittels Fruchtsäften (die sehr viel Sorbit beinhalten), zu decken – was zurückblickend nicht funktionieren konnte.
In den folgenden Wochen musste ich meinen Speiseplan vollständig umstellen und habe ungewollt einiges Gewicht verloren. Auch mein Training viel in dieser Zeit recht schmal aus und viele Einheiten lief ich kraft- und letztlich auch lustlos. Erst in den letzten Wochen vor dem Goldsteig stellte sich langsam eine Routine und eine Ernährungsstrategie ein. Der Wettkampf selber verlief, trotz einiger Probleme recht gut und vor allem bauchschmerzfrei (Bericht folgt). Nur eine Woche später packen wir unsere sieben Sachen für den Arberland Ultra Trail.

Die Aufgabe

Der Arberland Ultra Trail bietet drei Strecken zur Auswahl: 16km (600 HM+), 41km (1400 HM+) und 64km (2400 HM+). Jede Strecke kann, auf Wunsch, mit Hund gelaufen werden. Meine Frau wird zusammen mit Tuaq die 16 Kilometer in Angriff nehmen, während ich mit Amak 41 Kilometer und die Pfoten nehme.
Das Laufen mit Hund wir auch „Canicross“ genannt (Sprich: Cani – Cross, nicht Can-I-Cross), „Cani“ steht dabei für „Canidae“ dem wissenschaftlichen Namen für hundeartige Tiere, „Cross“ kommt aus dem Cross bzw. Geländelauf, man könnte also sagen: Im Gelände mit Hund laufen.

Vorbereitung

Wie bereits angedeutet viel meine eigene Vorbereitung recht schmal aus. Entscheidend war für mich die Frage wie „intakt“ ich den Goldsteig überstehe: Anders als im letzten Jahr diesmal gut genug, das ich mir die Strecke auf jeden Fall zutraue, auch wenn klar ist, das ich, von den 160 Kilometern, noch lange nicht vollständig erholt bin.
Wichtiger war das Training für Amak. Nachdem wir den Startplatz gewonnen hatten, habe ich einen Trainingsplan für ihn entworfen, das Problem dabei: Durch den Start im September war eine Vorbereitung in den Sommermonaten unvermeidbar. Hundetraining verträgt sich jedoch nicht gut mit hohen Temperaturen, weswegen wir nur in den Abend- und Morgenstunden trainieren konnten und auch das nicht immer soweit wie es sinnvoll gewesen wäre. Erschwerend hinzu kam, dass Amak, sich wenige Wochen vor dem Rennen am Bein verletzt hat, so dass wir die wichtigen letzten Wochen vor dem Rennen nicht trainieren konnten.
Den längsten Lauf den wir gemeinsam, im Training, zurückgelegt haben, lag daher bei nur 32 statt geplanten 38 Kilometern. Auf der Wettkampfstrecke werden des Weiteren noch deutlich mehr Höhenmeter und Trails zu überwinden sein als auf unseren Trainingsstrecken.
Ich muss daher besonders auf Schwächesignale von Amak achten, ihm ausreichend Pausen einräumen und ggf. das Rennen vorzeitig beenden, sollte ich Gefahr laufen, ihn zu überfordern.

Vor dem Rennen – Freitag: Anreise und Check-In

Mit dem Startplatz habe ich auch zwei Übernachtungen für Mensch und Hund in der Pension „Sonnleitn“ gewonnen, somit bleibt uns zumindest die Suche nach einer Unterkunft oder einem Zeltplatz erspart. Das spart viel Zeit und vor allem Gepäck, wir planen, am Freitagnachmittag, loszufahren, direkt nach der Arbeit. Die Anreise nach Zwiesel (Unterkunft) bzw. zum Skistadion am Arber (Veranstaltung) ist von uns eigentlich nicht weit, gestaltet sich im Feierabend Verkehr aber als schwierig. Die Autobahn ist komplett dicht und auf der Landstraße brauchen wir letztlich gut vier Stunden für die knapp 250 Kilometer. Endlich an der Unterkunft angekommen bleibt uns gerade genug Zeit einzuchecken und unser Zimmer zu beziehen, dann müssen wir auch schon weiter zum Wettkampfgelände um unsere Startnummer in Empfang zu nehmen.
Die Webseite der Veranstaltung enthält viele Informationen, leider nicht immer gut strukturiert, von Straßensperrungen ist die Rede und davon das wir am Samstag den Shuttle Bus nehmen müssen, wie genau wir fahren müssen ist mir trotzdem nicht ganz klar. Unser Gastwirt kann jedoch Entwarnung geben, von der Pension aus können wir sowohl heute als auch morgen ohne weitere Umwege das Gelände erreichen.
Start- und Ziel ist in einem Biathlonstadion untergebracht. Die Startnummernausgabe ist schnell gefunden, vor den Schaltern herrscht dichtes Gedränge, dennoch halten wir nur wenige Minute später unser Startpaket in den Händen.
Neben der Startnummer beinhaltet die Tüte viele Zugaben: Ein Funktionsshirt, Stirnband, eine Ratsche zum Krach machen, Traubenzucker, Informationsmaterial und den Gutschein für die Pasta Party.
Letztes lösen wir noch auf dem Gelände ein, gestärkt treten wir den Rückweg in unsere Pension an.

Vor dem Rennen – Samstag: vor dem Start

Unser morgen beginnt früh: Eine kurze Runde mit den Hunden drehen, dann Frühstücken, Umziehen und zum Startgelände fahren. Direkt am Gelände sind die Parkplätze, wie angekündigt, gesperrt. Wir fahren noch etwas weiter bis zur Seilbahn, von dort fährt ein Shuttle Bus. Wir haben Glück und müssen nicht lange warten bis wir, zusammen mit einem Dutzend weiterer Startern, eingesammelt werden. Für unsere Hunde ist dies die erste Busfahrt, die sie jedoch gleichmütig über sich ergehen lassen.
Im Stadion angekommen haben wir noch recht viel Zeit, wir streifen einmal über das Gelände und werden dabei vom Moderator einkassiert und interviewt, natürlich stehen unsere Hunde im Fokus. Ich bin gespannt wie viele „Hund-Mensch“ Gespanne letztlich an der Startlinie stehen werden.
Im Schatten ist es kühl, kaum über null grad, bei strahlend blauem Himmel. Wie die Meisten zieht es uns daher an einen der wenigen sonnigen Orte, in der Nähe der Startnummernausgabe.
Nach und nach füllt sich der Platz. Eine halbe Stunde vor dem Start ziehe ich Amak das Zuggeschirr und mir den Zuggurt an. Während des Rennens sind wir über eine elastische, 2,5 Meter lange, Zugleine verbunden.

Anders als z.B. bei Wandergeschirren liegt der Abgang des Zuggeschirrs etwa auf Höhe der Schwanzwurzel des Hundes, das Geschirr selbst liegt X-Förmig um den Hund, bildet zwei Schlaufen die seitlich entlang der Schultern aufliegen. So wird wenig Druck auf die Brust des Hundes ausgeübt (um ihn nicht am Atmen zu hindern) und die Kräfte werden über die Seite und Rücken nach hinten abgeleitet. Dies ist die gebräuchlichste Form bei Zughunden, meine Frau wird aber später berichten, dass viele Hunde mit gewöhnlichen Geschirren an dem Start standen, die teilweise an normalen Leinen geführt wurden. Das ist sowohl für Hund als auch für den Läufer unangenehm bis gefährlich und daher nicht zu empfehlen.
Nachdem wir beide umgezogen sind, verabschiede ich mich von meiner Frau, und unterquere das Stadion durch eine Betonröhre. Der Startbereich ist mit Gittern abgesperrt, am Eingang wird die Pflichtausrüstung kontrolliert, diese ist überschaubar: Trailschuhe, Rucksack, Erste Hilfe Material und Handy mit der Notfallrufnummer. Ich schleppe des Weiteren noch je einen Liter Wasser für mich und für Amak, Booties (Hundeschuhe), einen Faltnapf und erste Hilfe Material für den Hund, mit mir herum. Hinzu kommt noch Verpflegung für mich, da ich nicht davon ausgehen kann, an den Versorgungspunkten, etwas Verträgliches zu finden. In Summe bekomme ich nicht alles in meinem Rucksack unter, weswegen ich zusätzlich noch meinen großen Laufgürtel benutze. Zusammen mit Startnummernband und Zuggeschirr ergibt das ein beachtliches Gebammel.
Die Zeit bis zum Start überbrücke ich mit Smalltalk, dank Amak fehlt es nie an Gesprächspartnern. Die häufigste Frage ist, ob er die ganze Strecke mitläuft – das ist auch die Frage, die mich im Augenblick am meisten beschäftigt. Jedenfalls steht fest: Entweder erreichen wir das Ziel gemeinsam oder gar nicht, oder wie ich es im Scherz zu einer Läuferin sagte: „Eigentlich trage ich ihm nur das Wasser hinterher, heute geht es um ihn“. Außer uns entdecke ich nur ein weiteres Hundegespann, was mich überrascht. Auf der kürzeren Strecke waren es etwas mehr, meine Frau schätzt fünf oder sechs, wie viele die Ultra Strecke in Angriff genommen haben, weiß ich leider nicht.

Das Rennen

Der Countdown wird angestimmt und, begleitet von einer Blaskapelle, rücken wir langsam an die Startlinie vor. „Drei.. Zwei.. Eins..“ Und es geht los. Ich nehme Amak kurz, er will sofort nach vorne. Ich halte mich so weit wie möglich links um Kollisionen zwischen Hund und anderen Läufern zu vermeiden. Die Strecke führt über einen Wiesenweg und beginnt sofort anzusteigen, immer wieder kommt die Läuferschlange ins Stocken. Ich überhole, wo ich kann, und nutze jeden Raum, um Amak etwas mehr Bewegungsspielraum zu verschaffen. Das Laufen mit eingerollter Leine ist anstrengend, da der Arm nicht richtig mitschwingen kann und der Hund daran zieht.
Wald umschließt uns und der Weg flacht etwas ab, im Augenblick habe ich genug Platz, ich lasse daher Amak freien Lauf. Die Leine strafft sich und in einem Ruck werde ich nach vorne gezogen. Ein paar überholte Läufer werfen mir Kommentare wie „Ist ja unfair, der zieht dich ja den ganzen Berg hoch“ oder „Kann ich mir den mal kurz ausleihen?“. Wenn es die Gelegenheit zulässt, konterte ich mit „Das macht der auch nicht die ganze Strecke über“ oder „Dafür braucht er später auch seine Pausen“. Solch kurze Dialoge entspinnen sich den ganzen Wettkampf über. Ich versuche, Auskunft zu geben, wo ich kann. Mir ist wichtig herauszustellen, dass wir als Team antreten und das auch Amak seine Bedürfnisse hat. Das Thema „Canicross“ (Laufen mit Hund) ist noch jung und nur in wenigen Wettkämpfen erlaubt, ich sehe mich daher als „Botschafter“, (oder weniger hochtrabend als „Werbeträger“) für diesen Sport.
Die Strecke beschreibt ein munteres Auf und Ab im Wald, wir folgen einem breiten Waldweg, der sich mühelos laufen lässt. Inzwischen hat sich die Läuferkette soweit aufgelockert, das Amak die meiste Zeit über vorne laufen kann. Nach etwas mehr als drei Kilometern verlassen wir den Wald. Vor uns liegt die Talstation der Seilbahn.

Wir laufen über unseren Parkplatz hinweg, dann beginnt ein steiler Anstieg. Alle vor mir wechseln ins Gehen, ich auch. Zu meiner Überraschung nimmt auch Amak meine Tempoänderung sofort und klaglos auf. Oft würde er genau jetzt anfangen zu zerren und dabei viel Kraft verschwenden, stattdessen bleibt er einfach vor mir und hält einen lockeren Zug auf der Leine. Genau so wünsche ich mir das!
Der Anstieg ist lang und steil, führt zunächst über einen breiten geschotterten Weg. Hier in der Sonne ist es bereits jetzt ziemlich warm, noch ist das kein Problem, aber im weiteren Tagesverlauf sollen die Temperaturen noch deutlich steigen. Genau über das Thema unterhalte ich mich auf dem Anstieg mit einem Mitläufer, er kann mich beruhigen, ein Großteil der Strecke führt durch dichten, schattigen, Wald.

Vereinzelt kommen uns Wanderer entgegen, der ein oder andere applaudiert oder wünscht uns viel Erfolg. In einer langgezogenen und steilen Kehre durchlaufen wir ein Waldstück. Der Weg ist weiterhin steil und mit läuft der Schweiß. Drei Kilometer geht es so bergan, knapp 400 Höhenmeter überbrücken wir dabei.

Nach einer letzten Kurve taucht die Bergstation der Seilbahn vor mir auf. Einige Zuschauer haben sich versammelt, motivieren uns, zwei Musikanten geben ihr Können zum Besten. Von hier aus hat man einen tollen Blick auf das Umland. Mein Blick ist jedoch auf Amak gerichtet, er hat die Witterung von anderen Hunden aufgenommen und ist abgelenkt, ich raffe die Leine und führe ihn an der Zuschauergruppe vorbei.

Der Weg steigt weiter an, ist aber wieder laufbar. Mit kleinen Schritten mache ich langsam Boden gut und arbeite mich zum Gipfel hinauf. Auf dem Weg komme ich an einem Hinweisschild vorbei, es trägt den Titel „Goldsteig“, letzte Woche begegneten mir mehrerer dieser Hinweistafeln, als ich die ersten 100 Meilen des Wanderweges bestritt. Die Läufer der 480 bzw. 661 Kilometer langen Runde müssen hier vor wenigen Tagen, wenn nicht gar Stunden, durchgekommen sein. Wenn alles gut geht, werde auch ich nächstes Jahr somit wieder, im Rahmen des Megaraces, den Arber besteigen.
Endlich ist der Gipfel erreicht, von hier oben hat man eine tolle Fernsicht: Hügel und Berge unter strahlend blauem Himmel. Ich freue mich aber mehr auf den vor mir liegenden Abstieg, von dem ich mir ein paar einfachere Kilometer erhoffe.

Für ein paar Minuten wird meine Hoffnung erfüllt, ein breiter geschotterter Weg führt bergab, nicht zu steil, ideal um Tempo zu machen und ideal um mich wieder etwas zu erholen. Wie viele, meiner ohnehin wenigen, Körner der Anstieg gekostet hat, wird mir bewusst und in Form von schweren Beinen vor Augen geführt.
Viel Zeit zur Erholung bleibt mir nicht, dann verlassen wir die Straße und tauchen in den Wald ein. Wir belaufen einen ruppigen Trail aus Wurzeln und Felsen der straff abwärts führt. Ich versuche zu laufen, wo es geht, und gehe, wo ich muss. Amak läuft vorweg, zum Glück übertreibt er es nicht, sondern passt sich gut meinem Tempo an, dennoch zieht mich die Leine das ein oder andere Mal in eine unpassende Richtung und ich habe das Gefühl auf Eierschalen zu tanzen.
Der Sturz kommt unerwartet, die Ursache ist trivial: Abrutschen von einer Wurzel lässt mich den nächsten Tritt verfehlen, ich knicke um, es folgt ein weiterer unsauberer Tritt, bei dem mir bereits klar ist, dass der Sturz nicht mehr zu vermeiden ist. Wie in Zeitlupe spüre ich, wie ich ins Leere trete. Ich kippe nach vorne und stürze, Kopf voran, in Richtung der Felsen. Ich schaffe es noch, mich seitlich zu drehen, so dass mein Arm und Rücken einen Großteil des Aufschlags abfangen. Ich rutsche noch ein oder zwei Meter weiter, bis ich zum liegen komme. Sofort sind zwei, drei Leute zur Stelle, die sich um mich kümmern. Vielen Dank an dieser Stelle noch einmal dafür!
Im ersten Moment spüre ich gar nichts, erst nach und nach kommen die Schmerzen durch, reichlich Abschürfungen am Arm und Ellbogen, dazu ein dumpfer Schmerz im Arm, der sich aber noch problemlos bewegen lässt, gebrochen scheint nichts zu sein. Das mein Rücken völlig zerkratzt ist, bemerke ich in dieser Situation nicht einmal, auch die gebrochene Rippe wird sich erst in den nächsten Tagen bemerkbar machen.
Amak guckt mich ebenso besorgt an, wie die Helfer, Letztere kann ich beruhigen und weiter schicken. Ich selbst gönne mir noch eine Minute, dann gehe ich langsam weiter, jeden Schritt vorsichtig setzend.

Der Pfad führt eine ganze Weile weiter bergab, mal mehr mal weniger steil, bleibt jedoch durchgehend ruppig. Ich bleibe vorsichtig, wage nur an besonders einfachen Stücken ein paar verhaltene Laufschritte, verbringe die meiste Zeit aber mit zügigem Marschieren. Ganz langsam legt sich der Schock, allerdings spüre ich nun den brennenden Arm umso deutlicher.
Ständig werde ich überholt, in engen Abschnitten suche ich regelmäßig Nischen, in denen ich die Läufer hinter mir passieren lassen kann. Ich bin froh. Als der Abstieg fürs Erste endet und sich eine Wand aus Wurzeln vor mir auftut. Im Aufstieg fühle ich mich deutlich sicherer.

Nach dem die Wand bezwungen ist, verläuft der Weg eine Zeit lang weitestgehend eben und ich trabe wieder vorsichtig an. Meine Uhr beschwert sich derweilen über eine Streckenabweichung, der Track führt wo anders lang, unser Weg ist mit Fähnchen aber so eindeutig markiert, dass ich keine Gedanken daran verschwende und von nun an der Karte am Handgelenk keine Beachtung mehr schenke.
Es folgt ein weiterer harscher Abstieg, den ich vorrangig gehend bezwinge. Erneut schere ich mehrfach aus, um Schnelleren ein gefahrloses Überholungen zu ermöglichen. Ich habe das Gefühl auf der Stelle zu stehen, will aber auch keinen weiteren Sturz riskieren und füge mich somit der Langsamkeit.
Endlich endet der Trail und wir stoßen auf einen breiten Schotterweg. Wir traben an und nehmen schnell Fahrt auf, wahrscheinlich der schnellste Abschnitt auf der ganzen Strecke. Amak wirkt befreit: Endlich wieder flitzen und auch mir tut es gut für ein paar Minuten den Kopf freilaufen zu können. Der Weg führt zunächst einige Zeit bergab, wir kommen an einigen Wasserlöchern und Pfützen vorbei, an einer lasse ich Amak halten und etwas saufen, dann geht es erst wieder hinauf, dann noch einmal bergab, schließlich biegen wir erneut in einen ruppigen Trail ein. Erneut marschiere ich einen Großteil der Strecke, dieser Abstieg ist jedoch nicht ganz so schwierig zu laufen wie der vorherige und ich komme etwas schneller voran.
Am Ende des Trails angekommen stoßen wir auf einen breiten Wanderweg, der direkt zum großen Arbersee führt, dieser ist nicht wirklich groß, aber hübsch anzusehen und von Zuschauern gesäumt. Als Läufer mit Hund fällt man auf und so ernten wir viel Aufmerksamkeit und auch einigen Applaus. Wir überqueren eine Holzbrücke, kommen an einem Ausflugslokal vorbei und biegen wieder in einen Wanderweg ein.

Ich kann den Moderator im Stadion hören, bis zum Ende der ersten Schleife kann es nicht mehr weit sein. Ich blicke auf die Uhr, etwa eine Stunde und fünfzig Minuten bin ich bereits unterwegs, für gut 15 Kilometer. Meine Frau wird in wenigen Minuten, mit Tuaq, starten, vielleicht sehe ich sie noch einmal beim Durchqueren des Stadions.
Der Waldweg hinauf ist recht steil aber gut laufbar, ein Pfeil deutet nach rechts, auf einen Pfad, der zwischen den Bäumen hindurch führt. Ein einzelner Läufer kommt mir fluchend entgegen, er hat anscheinend die Abzweigung verpasst. Nach wenigen Schritten Trail stoßen wir auf ein breites Betonband, wir befinden uns wieder im Stadion, eine weitere steile Rampe muss ich noch erklimmen, dann überquere ich eine Zeitmessmatte und biege zum Einlauf in das Stadion ein. Mein Blick fällt auf die Startaufstellung, suche meine Frau, kann sie in dem Gewusel aber nicht entdecken, dann werde ich vom Moderator abgelenkt. „Da kommt Martin Leimbach, mit seinem Hund. Der läuft auch gerne mal 216 Kilometer am Stück, stellen sie sich das mal vor…“ Es folgen weitere salbungsvolle Worte, wenn der wüsste, wie es gerade jetzt um mich steht: Verletzt und spürbar erschöpft nach nur 16 Kilometern, würden die Lobeshymnen vielleicht kleiner ausfallen. Ich bin jedenfalls froh als ich in der Masse der Läufer, die sich um den Versorgungspunkt drängen, untertauchen kann.
Am Versorgungspunkt gibt es Kuchen und Energieriegel, viel mehr sehe ich nicht, spielt aber auch keine Rolle, da ich nicht weiß, was davon ich gefahrlos essen könnte, bin ich autark unterwegs: In meiner Gürteltasche ruhen mehr erprobte Leckereien als ich brauchen werde. Für die Teilnehmer auf vier Pfoten steht immerhin ein Wassereimer bereit, leider direkt neben dem Mülleimer. Und Amak findet die vielen Köstlichkeiten, die achtlos hineingeschmissen werden, einfach spannender als das schnöde Wasser. Ich habe etwas Mühe, mir zwei Becher Wasser zu ergattern. Dadurch das es keine vollgefüllten Becher gibt, sind die Helfer bemüht mit Kannen die entgegengestreckten Behältnisse zu befüllen, damit aber angesichts der Masse an Kunden schlicht überfordert. Da ich noch genug Wasser dabei habe, halte ich mich nicht übermäßig lange auf bis ich mich wieder in Bewegung setze. In meinem Rücken starten gerade die 16 Kilometer Läufer. Meine Frau kann ich nicht entdecken, dafür Tuaq zumindest hören, er singt sein aufgeregtes Lied inmitten der Läufer. Ich hoffe dabei inständig, dass meine Frau besser durchkommt als ich.
Mit dem letzten Wasser säubere ich meine Verletzungen noch einmal, es brennt, aber ansonsten fühlt sich der Arm in Ordnung an. Generell habe ich das Gefühl den Sturz inzwischen überwunden zu haben. Mein Entschluss, weiter zu laufen steht, geriet bislang nur direkt nach dem Sturz kurz ins Wanken.
Wenig später wird dieser Entschluss erneut auf die Probe gestellt: Wir laufen, noch immer im Stadion, in einem lang gezogenen Bogen auf einem Schotterweg als ich aus, für mich bis heute nicht nachvollziehbaren Gründen, erneut ins Stolpern gerate und selbst auf diesem einfachen Stück Weg, es nicht schaffe den Sturz zu vermeiden. Erneut schleife ich über Schotter, erneut büße ich einige Haut dabei ein, erneut sind sofort Helfer zur Stelle. Diesmal nicht nur Läufer, sondern auch Offizielle. Man bittet mich sitzen zu bleiben, während ein Sanitäter informiert wird. Ich bin restlos frustriert und möchte, in diesem Augenblick, einfach nur abbrechen. Die Verlockung ist riesengroß, ich befinde mich ja noch im Stadion, ich bräuchte einfach nur zu warten, bis meine Frau ihren Lauf beendet hat, müsste nicht noch einmal meine Knochen riskieren.
Zum Glück dauert es ein paar Minuten bis der Sanitäter eintrifft, dass gibt mir etwas Zeit mich zu sortieren. Der Sanitäter führt mich auf die Seite, ein Helfer nimmt mir Amak ab, der mich mit großen „Können wir jetzt weiter?“ Augen anguckt. Der Sanität besieht sich die Verletzungen, nur Aufschürfungen, prüft den Arm, fragt mich, ob ich bewusstlos war, nachdem ich alle Fragen beantwortet habe, folgt die Entscheidende „Läufst du weiter?“. Ohne groß drüber nachzudenken nicke ich, nehme Amak entgegen und setze mich wieder in Bewegung.
Der Weg führt aus dem Stadion hinaus, wir überqueren, die für uns abgesperrte, Straße und tauchen in den nächsten Trail ein. Ich laufe gerne auf Trail, gerne in der Natur, aber in diesem Moment wären mir einige Kilometer monotone Straße lieber gewesen. Ich fühle mich unsicher auf den Beinen und der Arm brennt. Jede zurückgewonnene Sicherheit ist dahin. Erneut krieche ich den Trail entlang. Diesmal sind es weniger Felsen, dafür einige feuchte und matschige Abschnitte.

Der Abschnitt ist nicht lang, dann stoßen wir auf einen breiten Wanderweg. Genau das was ich im Augenblick brauche. Der Weg führt sanft bergab und lässt sich problemlos laufen. Ich überhole eine größere Gruppe Wanderer, eine der Damen erschrick weil sie meinen Hund erst bemerkt als er die Gruppe, mit ausreichend Abstand, überholt. Auf die Frage was das für eine Veranstaltung ist, erwidere ich schlicht „Arberland Ultra Trail“, das die Dame wahrscheinlich genauso schlau wie vorher zurückbleibt mir klar, im Augenblick bin ich aber zu sehr mit mir selbst beschäftigt, um größere Erklärungen abzuliefern.
Nach einigen Minuten biegen wir rechts ab und folgen, noch immer auf breiten Waldweg laufend, einem Fluss. Das Sonnenlicht, das durch das Blätterdach bricht, zaubert verspielte Reflexionen auf das Wasser und die Bäume um uns herum. Ein schöner Anblick der mir weiter dabei hilft mich zu entspannen und die Stürze zu verdrängen.

Inzwischen haben wir etwa 20 Kilometer abgeleistet. Amak hält sich gut, Herrchen – geht so. Abgesehen von den Stürzen spüre ich die Anstrengung und fehlende Frische. Sorgen über meine Ausdauer mache ich mir dennoch nicht, zur Not kann ich die verbleibenden gut 20 Kilometer in vier Stunden marschieren. Nach den vielen Marschstunden der letzten Woche, jagt mir diese Vorstellung keine Angst ein. Meine Gedanken schweifen wieder zum Goldsteig und zum Megarace, im kommenden Jahr. Kürzlich haben wir das Örtchen „Seebachschleife“ durchquert, eine Ansammlung von einem Dutzend Häusern, mir dennoch ein Begriff, da hier eine der wenigen Aid-Stations untergebracht ist, im nächsten Jahr wird das ca. Kilometer 600 sein. Werde ich dann noch dabei sein?
Während ich vor mich in grübel, kommen wir an einer Wassermühle vorbei und biegen wenig später auf einen single Trail ein. Der Pfad hält sich immer dicht zum Fluss, führt dabei beständig auf und ab. Wir laufen über Wurzeln und Waldboden, das schreckt mich weniger als der felsige Untergrund am Berg und ich komme gut voran. Die meiste Zeit über wechsel ich zwischen lockeren Laufen und schnellen Marschieren, wo es das Gelände erforderlich macht. An einer flachen Stelle lasse ich Amak erneut trinken. Davon abgesehen kommen wir gut voran. Der Abschnitt weiß nicht nur wegen seiner Einfachheit zu gefallen, auch optisch ist der Pfad reizvoll. (Leider misslingen die Fotos auf dem Abschnitt, auf Grund von Dreck auf der Linse)

Für einige Zeit folge ich dem Trail, dann taucht zu meiner rechten ein Schild auf „500 Meter bis zur Versorgung“. Der Pfad führt hinauf zu einer Straße, die ich überquere, auf der gegenüberliegenden Seite sehe ich bereits den Versorgungspunkt. Es herrscht dichtes Gedränge, etwa zwei Dutzend Läufer tummeln sich vor den Tischen. Ich suche nach einem Wassereimer oder einer anderen Wasserquelle für Amak, leider vergeben. Ich streife den Rucksack ab und krame den Faltnapf für Amak heaus und befülle ihn direkt mit dem mitgeführten Wasser, so wird zumindest mein Rucksack etwas leichter. Mein Tun erweist sich als vergebene Liebesmühe, Amak ist vom Trubel viel zu sehr abgelenkt und würdigt meinem Wasser keinen Blick.
Ich selbst versuche etwas Trinkbares vom Versorgungsstand abzugreifen, es dauert jedoch einige Zeit bis ich an der Reihe bin, meinen Becher gefüllt zu bekommen. Etwas angesäuert packe ich zusammen und setze meine Reise fort.

Steifbeinig trabe ich an, wir laufen an einem kleinen See vorbei, immer am Waldrand entlang und umlaufen dabei die Ortschaft. Nachdem wir eine weitere Straße überquert haben, tauchen wir in den Wald ein, sofort geht es bergauf. Für einen Moment können wir über das Dörfchen unter uns blicken, dann wendet sich der Weg einen schmalen, überwucherten, Trail zu der steil bergan führt. Der Pfad führt über Totholz, Wurzeln, Steine und altes Laub. Amak arbeitet kräftig mit und hilft mir dabei, mich Meter, um Meter hinauf zu wuchten. Nach inzwischen 25 zurückgelegten Kilometern lässt er keinerlei Anzeichen von Schwäche erkennen, ich hoffe inständig das, dass so bleibt.

Der Anstieg nimmt kein Ende, ohne Unterlass geht es steil bergan, lediglich der Untergrund wechselt. Dominierte weiter unten noch Laub und Totholz sind es nur vorrangig Felsen, über die ich steige. Der Pfad wird nun immer wieder von Rinnsalen, die in einen nun neben mir verlaufenden Wasserlauf münden, unterbrochen. Nach etwa fünfzehn Minuten Marsch an der Steigung mache ich an einer größeren Pfütze halt, gebe Amak Zeit zum saufen und nutze die Gelegenheit selber einmal durchzuschnaufen. Nach zwei Minuten Pause nehmen wir den letzten Abschnitt in Angriff. Nach einer gefühlten Ewigkeit, oder etwa 30 realen Minuten, erreichen wir endlich das Ende des Pfades.

Wir folgen nun einem breiten, gut befestigten Waldweg. Noch immer geht es leicht bergan, jetzt aber gemäßigt und nicht zuletzt dank Amaks Hilfe, gut laufbar. Zwei Kilometer folgen wir dem sich durch den Wald windenden Weg, bis wir erneut auf das Schild „Versorgung in 500 Metern“ stoßen.
Auch an diesem Versorgungspunkt staut es sich und auch hier wird wenig für Amak geboten. Immerhin stehen einige Flaschen Cola zur Selbstbedienung bereit, wodurch die Wartezeit kürzer ausfällt. Ich nehme mir noch ein paar Gummibärchen „2 Go“ mit und will mich wieder in Bewegung setzen, brauche aber einen Moment um zu begreifen wo es weiter geht: Dieser Versorgungspunkt wird zweimal durchlaufen, zunächst biegt man links ab in Richtung Silberberg, beim zweiten Durchlaufen dann rechts in Richtung Ziel.
Ich biege links ab und folge einem leicht abfallenden breiten Weg, einfach zu laufen, gut um wieder in den Tritt zu kommen. Etwa einen Kilometer laufen wir so dahin, dann knickt der Weg nach links ab, mutiert zum Trail und steigt steil an. Amak reckt die Nase in Richtung einer angrenzenden Lichtung und zieht an, offensichtlich gibt es dort etwas Spannenderes zu schnuppern, er lässt sich jedoch problemlos korrigieren und schon arbeiten wir uns wieder gemeinsam den Hang hinauf. Inzwischen sind wir mehr als 32 Kilometer unterwegs, etwa so weit wie bei unserem längsten gemeinsamen Vorbereitungslauf. Ich rechne jederzeit mit einem Einbruch bei ihm, bislang ist davon aber nichts zu sehen.
Wir arbeiten uns den Hang hinauf, biegen rechts ab und überqueren eine Wiese. Einige Wanderer kommen uns entgegen, Grüßen mich, aber Blickfang ist Amak. Wenig später passieren wir zunächst die Seilbahnstation der angrenzenden Sommerrodelbahn, dann erreichen wir einen gut gefüllten Biergarten. Einige Applaudieren, ich höre vertraute Kommentare wie „Schau mal der lässt sich von seinem Hund ziehen“, ich erwidere die Grüße und arbeite mich über den Platz vor, am Rand der Terrasse angekommen kann man weit über das Umland blicken. Ich lege einen kurzen Fotostop ein und nutze die Gelegenheit ein paar angesammelte Steine aus dem Schuh zu entfernen, eh wir uns wieder in Bewegung setzen.

Wir marschieren eine Treppe hinauf und erreichen einen schmalen Trail, hier hat sich ein Stau gebildet, eine große Gruppe von Jugendlichen in Bergarbeitermontur kommt uns den Weg entgegen, anscheinend gibt es oben ein Erlebnisbergwerk. Als der letzte Kumpel passiert hat, können wir endlich weiter. Noch einmal wird es steil und kraxelig, erneut wird marschiert, ich fühle mich inzwischen müde und ausgelaugt und freue mich auf den baldigen Zieleinlauf, noch etwas mehr als sieben Kilometer bis dahin. Das Gelände öffnet sich, statt von Bäumen wird der Boden vorrangig von Sträuchern bedeckt, erlaubt unverstellten Blick auf das Umland. Wenig später haben wir den Gipfel des Berges erreicht.

Meine Sorge vor dem Abstieg erweist sich als unbegründet, statt wildem Trail erwartet uns ein breiter, geschotterter, Waldweg der sich mühelos laufen lässt. Wir nehmen noch einmal fahrt auf bis wir, einen guten Kilometer später, wieder den bereits vertrauten Versorgungspunkt erreichen. Auch diesmal ist der Stand gut besucht, ich ergatter mir zwei Becher zu trinken und noch ein paar Gummibärchen, noch einmal etwas Kraft tanken für die letzten Kilometer.
Wir verlassen den Versorgungspunkt nach rechts und erreichen, nach einer kurzen Trailpassage, einen breiten Waldweg. „Steil“ hatten wir heute schon in vielen Formen, diese Rampe präsentiert sich als breiter Weg und in gewisser Weise ist das anstrengender zu Laufen als die trailigen Anstiege: Es fehlen die natürlichen Stufen aus Wurzeln und Steinen. Mein Puls ist sofort auf Anschlag, Amak läuft tapfer vorneweg, viel Zughilfe ist diesmal aber nicht mehr auf der Leine. Mühsam arbeiten wir uns den Hang hinauf. Der Anstieg zieht sich endlos, als es endlich flacher wird, lasse ich Amak an einem Wasserlauf trinken, gierig macht er sich über das Wasser her und auch mir tut diese Atempause gut.
Auf dem Weg kommen uns zwei Wanderer mit Hund entgegen, ich halte Amak kurz, doch er zeigt keinerlei Interesse an dem anderen Rüden, ein zuverlässiges Zeichen dafür, dass auch er langsam aber sicher an die Grenzen seiner Ausdauer stößt. Der Weg steigt weiter an, allerdings nicht mehr sehr steil, dafür an vielen Stellen mit Gräsern überwuchert, mit groben Steinen überseht oder aufgeweicht, nicht ganz einfach zu laufen. Ich wechsel meist zwischen lockeren Trab und zügigen Marschieren. Etwas schneller wäre möglich, aber dafür fehlt mir inzwischen der Ehrgeiz, die ein oder zwei Minuten, die ich hier liegen lasse, fallen nicht mehr ins Gewicht, fast fünf Stunden sind wir inzwischen unterwegs.
Ich hohle einen Läufer ein und für einige Minuten bilden wir eine kleine Gruppe. Er fragt mich, wie weit es noch ist, „vier Kilometer“ lautet meine Antwort. Ich hatte gehofft, ihn damit motivieren zu können, sein Gesichtsausdruck verrät jedoch, dass er von weniger ausgegangen ist. Als das Gelände flacher wird, trabe ich an und ziehe langsam davon.
Wir erreichen eine breite Straße und passieren einen Parkplatz, ich halte Amak wieder dicht bei mir, bis wir die Straße überquert und auf der gegenüberliegenden Seite das Langlaufzentrum passiert haben. Ein Wegweiser steht am Wegesrand, für die 64 Kilometer Strecke geht es gerade aus weiter, rechts geht es zum Ziel. Ich bin nicht böse, dass ich rechts abbiegen darf. Wir laufen auf einem schmalen Trampelpfad, der sich zwischen Gräsern und Büschen windet, bis wir einen breiten Waldweg erreichen, der stramm abwärts führt.

Die Strecke kommt mir bekannt vor, hier bin ich vor einer gefühlten Ewigkeit schon einmal durchgelaufen, nach den Wurzeltrails auf dem Weg in Richtung Stadion. Den Gegenanstieg bin ich beim ersten Durchlauf noch gelaufen, jetzt nicht mehr. Nach einem weiteren kurzen Abstieg biege ich wieder auf einen ruppigen Trail ein. Ein letztes Mal volle Konzentration auf den Untergrund, wieder gehe ich mehr, als das ich laufe. Mehrfach halte ich kurz an, um für schnelle Läufer Platz zu machen, der Abstieg zieht sich so endlos dahin, bis es endlich flacher wird und der Pfad auf den breiten Waldweg einmündet.

Noch einmal geht es am Arbersee entlang, war der See beim ersten Durchlauf gut besucht, platzt er nun aus allen Nähten. Den weg zur Brücke muss ich mir förmlich bahnen, wobei eigentlich Amak die Schneise für mich bildet. Ich habe seine Leine verkürzt, aber nicht ganz eingezogen, vertraue meinen Hund das er, genau wie ich, nur noch ins Ziel möchte. Als die Brücke überquert ist werden wir mit eine kleinen Laolawelle auf den Anstieg in Richtung Stadion geschickt.
Der Anstieg ist nicht lang, aber ich muss alle verbliebenden Kräfte mobilisieren um ihn durchlaufen zu können. Amak arbeitet weiterhin wie ein Uhrwerk. Ich biege rechts ab, laufe das Stück den Wald und erreiche wieder das Teerband des Stadions. Ich höre den Moderator, einzelne Läufer, die das Ziel bereits erreicht haben, kommen mir entgegen und schieben mich verbal, den letzten Hügel hoch. Eine letzte Kehre und während der Moderator erneut von meinen „260 Kilometern“ schwärmt (beim ersten Durchlauf waren es immerhin noch die tatsächlich zurückgelegten 216), durchlaufe ich nach 5 Stunden und 27 Minuten das Ziel.

(Foto dankenswerterweise von der Pension Sonnenleitn zur Verfügung gestellt)

Im Ziel

Im Ziel erhält Amak, von einem Kind, eine große Wurst als Belohnung, ich selbst nehme statt einer Medaille ein Glas mit dem Logo der Veranstaltung entgegen. Damit ausgestattet bekomme ich an der Zielverpflegung etwas zu trinken. Eh ich an der Reihe bin, gilt es aber Amak zu versorgen. Allerdings will er, egal wie ich es versuche, nichts trinken. Während ich mich noch als Hundeflüsterer versuche trifft meine Frau mit Tuaq ein, sie hat ihren Lauf in wunderbaren 2 Stunden und 11 Minuten und im Gegensatz zu mir sturzfrei, abgeschlossen.
Nach einiger Zeit verlassen wir den Zielbereich und suchen uns ein schattiges Plätzchen in der Nähe der Startnummernausgabe. Amak bekommt einen großen Kauknochen – den hat er sich verdient, danach trinkt er auch endlich. Nachdem die Hunde versorgt sind essen wir noch etwas und tauschen uns über das Erlebte aus, danach machen wir uns auf den Rückweg.

Hündisches Fazit

Amak hat die Strecke gut überstanden. Natürlich war er nach dem Lauf müde, aber schon auf der abendlichen Gassirunde hat er wieder kräftig angezogen. Auch sein Gewicht, bei ihm immer problematisch, hat er gehalten. Wir können in den kommenden Herbst- und Wintermonaten also unser Training fortsetze und uns neue Ziele setzen.

Fazit zur Veranstaltung

Die Strecke ist sehr abwechslungsreich jedoch auch anspruchsvoll, man sollte die Strecke daher nur ausreichend trainiert in Angriff nehmen. Schwieriger als die langen Aufstiege empfand ich die Trailabstiege, wenn man sich an diesen genug Zeit einräumt, ist die Strecke auch für Traileinsteiger geeignet. Da die Strecke viel für das Auge bietet, lohnt es sich auf jeden Fall. Die Streckenmarkierung ist vorbildlich und lückenlos. Für einen Traillauf bietet die Strecke erstaunlich viel Stimmung, nicht nur im Stadion, auch auf der Strecke trifft man vereinzelt auf Zuschauergruppen.
Die Anzahl der Versorgungspunkte ist großzügig dimensioniert. Die Shuttle Verbindung zum Parkplatz hat gut funktioniert, Startnummernausgabe und Ausrüstungskontrolle gingen schnell und unkompliziert vonstatten.
Dennoch besteht noch Verbesserungspotential: Ich begrüße prinzipiell, dass man keine Einwegbecher verwendet, allerdings kam es an allen Versorgungspunkten zu Stauungen, weil die Helfer mit der Wasserverteilung nicht nach gekommen sind. Es wäre hilfreich, alle Stationen etwas größer zu dimensionieren und Wasserkannen zur Selbstbedienung bereitzustellen, so dass nur diese von den Helfern befüllt werden müssen, oder zumindest eine begrenzte Menge an Mehrwegbecher vorab bereitzustellen.
Das Hunde zwar explizit zur Veranstaltung eingeladen, dann aber an den Versorgungspunkten keine Wassernäpfe angeboten, wurden, ist für mich ein absolutes „No Go!“. Ideal wären hier zwei oder drei Näpfe, aufgestellt etwas Abseits vom Getümmel am Stand. Wenn dort auch noch was für die Läufer mit Hund angeboten würde, wäre es perfekt.
Auch das Thema Wertung sollte man besser früher als später angehen, noch waren Kommentare wie „Unfair, der lässt sich ja ziehen.“ Auf der Strecke mit einem Augenzwinkern versehen, sollte ein Läufer mit Hund einen Podiumsplatz erringen, ist der Ärger jedoch vorprogrammiert.
Letztlich wäre es für „Freunde der Statistik“ schön, wenn man die Strecke noch auf 42,2 Kilometer erweitern könnte, um den Marathon vollzumachen.
Trotz dieser Punkte hat mir die Veranstaltung sehr gut gefallen und ich bin dankbar, dass die Veranstalter Vierbeiner willkommen heißen. Ich kann mir gut vorstellen die Strecke erneut in Angriff zu nehmen!

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