Megarace 2.0 – MR1

Megarace 2.0 – MR1

Die Pandemie ist noch nicht besiegt, daran wird sich mit September auch nichts ändern. Dennoch stehen die Zeichen auf Entspannung, Fallzahlen sinken und die Verteilung des Impfstoffes geht langsam voran. Um die Wahrscheinlichkeit, dass das Megarace dieses Jahr stattfinden kann, weiter zu erhöhen, wurde die Strecke umgestaltet.
Um mich darauf vorzubereiten habe ich, seit Anfang des Jahres, angefangen meine Umfänge wieder zu erhöhe, heute steht der erste wirklich lange Trainingslauf an, mein „MR1“ über gut 100 Kilometer.

Das neue Megarace

Ursprünglich sollte das Megarace, in einem großen Rundkurs, durch Deutschland, Österreich und Tschechien führen. Mit dem „Coronaoptimierte“ Konzept bleibt das Rennen in Deutschland. Der neue Kurs besteht aus drei großen Schleifen sowie zwei Verbindungsstrecken. Die Idee dahinter ist, dass wenn eine Region, auf Grund zu hoher Fallzahlen, nicht mehr durchlaufen werden darf, nicht das ganze Rennen ausfallen muss, im Zweifel werden Schleifen mehrfach durchlaufen. Ebenso versucht der Veranstalter die Strecke so zu „biegen“, das möglichst wenig Landkreise berührt werden, wo immer es möglich ist, wird jedoch auf dem ursprünglich geplanten Kurs gelaufen, was auf die Mehrzahl der Teilstrecken zutrifft.
Mir wäre dir ursprüngliche Streckenführung zwar lieber gewesen, verstehe aber die Idee hintern den Anpassungen und bin zuversichtlich das, dass Rennen dieses Jahr tatsächlich stattfinden wird.
Nachdem im letzten Jahr alle geplanten Veranstaltungen ausgefallen sind, muss ich mich zunächst wieder an lange Läufe herantasten. Ich möchte daher, bis zum Start im September, einige „überlange“ Trainingsläufe ableisten, der MR1 ist der Auftakt dazu.

Entwurf der neuen Streckenführung

Der MR1

Der „MR1“ ist mein erster wirklich langer Trainingslauf, die Strecke ist etwa 102km lang und beheimatet ca. 1300 Höhenmeter, die sich über zahllose Hügel verteilen. Ich beginne zunächst mit einer „Introrunde“ in dem ich mit dem Auto in eines der Nachbardörfer fahre, von dort laufe ich, in einer Schleife zurück nach Hause um, zusammen mit meiner Frau und den Hunden, auf einer anderen Runde zurück zum Auto zu laufen.
Dort beginnt dann die eigentliche Strecke: Ich laufe zunächst stets nach Westen, meist durch den Nationalpark Steigerwald, bis in das Örtchen Castell. Von dort aus folge ich für eine Weile den Kelten Erlebnispfad und biege dann nach Geiselwind ab. Mein Weg führt wieder in die Wälder und in einer Schleife bis nach Schlüsselfeld, von dort nehme ich den direkten Weg, meist auf ausgebauten Feldwegen zurück bis nach Wachenroth.
Die Strecke ist wenig technisch, herausfordern ist hier in erster Linie die Distanz.

Ich plane gegen 17 Uhr zu starten und möchte zum Frühstück (d.H. bis spätestens 9:00) Uhr, mit frischen Semmeln, wieder zu Hause sein. Das bedeutet, dass ich mir 16 Stunden für den Lauf eingestehen, das entspricht einer Durchschnittspace von 9:24 pro Kilometer, inkl. aller Pausen.
Das ist kein hohes Tempo, wäre für das Megarace aber völlig ausreichend, allerdings erwartet mich dort ein deutlich höherer Schwierigkeitsgrad. Als Einstieg für die langen Trainingsläufe erscheint mir die Strecke dennoch gut geeignet. Ich werde später von dem Lauf berichten.

Die Strecke des MR1

Das war der MR1

Ich bin gegen 16:30 gestartet, wie geplant bin ich mit dem Auto in eines unserer Nachbardörfer gefahren und von dort nach Hause gelaufen. Auf diesen ersten zehn Kilometern noch ohne Gepäck und in relativ hohen Tempo.

Zu Hause angekommen konnte ich mich kurz versorgen und bin dann mit meiner Frau und unseren drei Hunden erneut aufgebrochen. Diesen zweiten Abschnitt sind wir ausschließlich gewandert, während wir unterwegs waren ist die Nacht bereits über uns hereingebrochen. Die Nacht war unerwartet kalt (ca. -4), was mir, zu diesem Zeitpunkt, ziemliche Sorge bereitet hat. Ich war relativ dünn unterwegs: Dünnes Merino-Langarmshirt und eine dünne Laufjacke, Handschuhe wollte ich mitnehmen hatte ich aber vergessen einzupacken, zum Glück konnte mir meine Frau aushelfen.

Wieder am Auto angekommen waren bereits die erste 19 Kilometer abgeleistet, nun mit vollem Gepäck (ca. 6,5 KG) ging es wieder auf die Strecke. Bei der Ausrüstung habe ich mich bereits an der Pflichtausrüstung des Megarace orientiert, so schleppte ich unter anderem einen Schlafsack mit mir herum, den ich nicht vorhatte zu benutzen, des Weiteren einen Satz reservekleidung, Regenschutz, erste Hilfe Ausrüstung, Verpflegung und etwa 2,5 Liter Flüssigkeit. Bei Aufbruch spiele ich noch mit dem Gedanken direkt eine weitere Schicht anzulegen, entscheide mich aber dagegen, mit steigendem Tempo sollte sich auch wieder mehr Körperwärme bilden, was sich als richtige Entscheidung herausstellen sollte.

Die Strecke stellte sich als anspruchsvoller als erwartet heraus, es gab einige Trails, wo ich breitere Waldwege erwartet hätte und viele Waldwege stellten sich als Sumpf heraus in dem man nur sehr mühsam voran kommt und jeden Schritt sorgsam setzen muss. Zeit und Distanz vergeht meist angenehm schnell, meinen ersten Zwischenstop lege ich nach ca. 43 Kilometer ein, in erster Linie um etwas zu essen, das Hungergefühl treibt mich schon länger um, aber die psychologische Marke „Erster Marathon“ möchte ich vor der Pause noch abhaken. Das erneute Anlaufen fühlt sich schwer an, aber das vergeht nach wenigen Minuten.

Ich wechsel sehr häufig zwischen Laufen und Gehen, versuche möglichst kraftsparend voran zu kommen, Tempo ist zweitrangig, da das Gelände sehr wellig ist, laufe ich selten mehr als ein oder zwei Kilometer durchgehend. Etwa ab Kilometer 45 laufe ich ein großes, zusammenhängendes, Waldgebiet ein, ich laufe durch alten Baumbestand, die Bäume bilden über mir eine geschlossene Decke, trotz Vollmond laufe ich durch völlige Dunkelheit. Meine Lampe ist auf niedrigste Stufe eingestellt um den Akku zu schonen, nur an gefährlichen Stellen blende ich kurzzeitig auf. Ich verliere jedes Gefühl für Zeit und Distanz: Laufen, gehen, navigieren im beständigen Wechsel.

Nach einiger Zeit, erreich ich den Wendepunkt, ich befinde ich mich über dem Örtchen Rödelsee, in der Ferne kann ich eine Stadt ausmachen, das sollte Kitzingen sein. Hier verlasse ich die gut ausgebaute „Waldautobahn“ auf der ich die letzten Stunden unterwegs war und biege auf den Kelten-Erlebnis-Pfad ein, ein waschechter Trail, der zunächst steil bergan führt, auf dem Pfad erwartet mich viel Sumpf und einige schwierige Tritte, bald darauf flacht der Pfad ab, aber er verzweigt sich in viele Seitenpfade und die Navigation wird deutlich aufwändiger, mehr als einmal verfehle ich die richtige Abbiegung und muss ein Stück zurück. Irgendwann geht der Pfad wieder in einen breiteren Weg über, der, meist bergab führt, hier kann ich etwas Tempo gutmachen, ich erwarte in Kürze auf das Städtchen „Castel“ zu treffen, hier möchte ich meine nächste Pause einlegen, schon seit längerem verspüre ich wachsenden Hunger, der Durst hält sich in Grenzen, aber ich habe bislang nur sehr wenig getrunken und sollte auf jeden Fall „nachfüllen“ um Dehydration zu vermeiden.

Ein Trail bringt mich weiter bergab, dann sehe ich das Städtchen unter mir, ich laufe durch Weinberge und über Wiesen bis an den Ortsrand heran, durquere einen historischen Ortskern und biege auf der anderen Seite wieder in den Weinberg ein, an der nächstgelegenen Bank lege ich meine zweite und längste Rast ein. Ich kontrolliere meine Füße – alles in Ordnung, esse und trinke ausgiebig. Bislang habe ich gut 62 Kilometer zurückgelegt, es ist kurz nach ein Uhr nachts, entsprechend bin ich schon über 8,5 Stunden unterwegs. Einen richtigen Einbruch hatte ich bislang nicht, allerdings plagt mich ein durchgehendes Hunger- und damit verbundenes Schwächegefühl. Beine und Füße fühlen sich noch gut an.

Fast 15 Minuten dauert meine Pause, dann setze ich mich wieder in Bewegung. Es geht zunächst steil bergauf, ein Stück durch die Weinberge, dann eine enge Straße hinauf, ich bin froh das mir kein Auto begegnet und noch froher als ich endlich wieder auf einen Trail einbiege. Danach setzt sich das Gelände wie gewohnt fort: Leichter, welliger Trail, mit dem ein oder anderen Sumpfabschnitt. Nach einigen Kilometern wird der Pfad immer steiler und ruppiger, ebenso sumpfiger, der bislang schwierigste Abschnitt der mir alles abverlangt. Als der Weg endlich abflacht brauche ich zunächst zwei Gehkilometer um mich zu erholen, dann trabe ich langsam an.

Die nächste Stunde komme ich gut voran, es geht vorranig abwärts, die Kräfte kehren langsam zurück, bis ich eine Straße überquere und der nächste Harsche Anstieg vor mir liegt. Der „gute“ Weg, biegt rechts ab, mein geplanter Weg ist zunächst kaum zu erkennen und verschwindet schließlich vollständig. In tiefster Nacht arbeite ich mir, querfeldein, einen Hang hinauf, übersteige umgestürzte Bäume oder winde mich durch Geäst hindurch bis ich, ausgelaugt und platt, wieder auf einen Pfad stoße. Das Gelände flacht ab, nicht immer bin ich mir sicher mich wirklich auf einem Weg zu befinden, aber ich kann mich anhand meiner GPS-Karte orientieren, der Bewuchs ist nicht mehr so dicht und ich habe keine Schwierigkeit voran zu kommen.

Nach einiger Zeit stoße ich auf einen breiten Waldweg der beständig abwärts führt, ich nehme wieder etwas fahrt auf, kurze Zeit später verlasse ich den Wald und blicke auf Geiselwind, mein nächstes Zwischenziel, hinab. Von hier aus gäbe es eine Abkürzung nach Hause, etwa 75 Kilometer habe ich bislang auf der Uhr, die Alternativstrecke würde mich auf gut 20 einfachen Kilometern nach Hause führen, etwa zehn Kilometer und einige Höhenmeter weniger. Vor einer Stunde war die Option nach verlockend, jetzt aber nicht mehr, das Zwischenziel erreicht zu haben, hat neue Kräfte freigesetzt.

Ich marschiere einen Hang hinauf und überquere den Golfplatz, dann beginnt ein langgezogener Abstieg. Nebel liegt in der Luft, es ist inzwischen vier Uhr morgens, bald wird die Dämmerung einsetzen. Erneut macht sich Hunger breit, ebenso etwas Durst, bald ist die nächste Pause fällig, in schiebe sie etwas vor mir her, möchte den letzten Abschnitt unter zwanzig Kilometer halten.

Am Ende des Abstiegs durchquere ich eine Ortschaft, für gut einen Kilometer muss ich auf einer Landstraße, stramm aufwärts, marschieren, nicht schön, aber gerade finde ich es angenehm unter freien Himmel zu laufen. Ich habe prinzipiell kein Problem damit im dunklen zu laufen, aber inzwischen tue ich dast seit fast zehn Stunden und habe den Unterschied zwischen „unter offenem Sternenhimmel“ und „vollständiger Dunkelheit im Wald“ zu schätzen gelernt. Das hilft aber nichts, ich verlasse die Straße und steuere auf den nächsten Wald an. Der Anstieg endet, das sollte der letzte große Anstieg gewesen sein. Soweit die gute Nachrichten: Im Wald selber verliere ich schnell die Orientierung, geplanter Weg und Realität sind nicht in Einklang zu bringen. Einmal wechsel ich querfeldein den Pfad doch auch dieser führt nicht in die richtige Richtung, letztlich lande ich am Waldrand und folge diesem, bis ich das Waldstück umrundet habe und wieder auf den gewünschten Weg treffe.

Ab hier kenne ich mich wieder aus, es liegen noch zwanzig Kilometer vor mir, die ich häufiger im Training benutze, die erste Hälfte davon im Wald, die zweite dann wieder unter offenem Himmel. Für meine nächste Pause habe ich bereits einen Rastplatz im Blick, noch etwa drei Kilometer bis dahin, dich in meinem bekannten wechsel aus Traben und Marschieren zurücklege.

Meine Rast fällt etwas kürzer aus, es sind „nur“ noch 17 Kilometer, in erster Linie trinken, etwas essen, noch einmal Füße kontrollieren – nach wie vor alles in Ordnung, nach knapp zehn Minuten geht es weiter, auf den letzten Abschnitt. Zum ersten Mal seit geraumer Zeit kontrolliere ich mein Zeitziel, ich wollte unter 16 Stunden bleiben, das sollte kein Problem sein, selbst wenn ich von nun an nur noch marschiere.

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