45. GutsMuths Rennsteiglauf

45. GutsMuths Rennsteiglauf

Metall-Freunde haben Wacken, Läufer haben den Rennsteig. Jahr für Jahr pendeln Läufer hierher um hier ihr Laufevent zu feiern. Das letzte Jahr habe ich das Rennen nur durch die vielen Laufberichte in einem Läuferforum, in dem aktiv bin, verfolgen können. Dieses Jahr stand ich selber an der Startlinie um einen Marathon zu laufen.

Über den Rennsteig sagt man „Einmal Rennsteig, immer Rennsteig!“ Ob mich der Virus auch infiziert hat erfahrt ihr im folgenden Laufbericht.

Meine Laufberichte neigen dazu länglich auszufallen, besonders auch weil ich immer gerne ein paar Worte über die Vorbereitung, Ziele, die Organisation und Anreise einfließen lasse. Wer sich das vorgeplänkel ersparen möchte kann direkt beim Abschnitt „Das Rennen“ einsteigen.

Der Rennsteiglauf ist ein Punkt zu Punkt lauf, während sich die Startorte, je nach gewählter Distanz, unterscheiden, trifft sich am Ende alles im kleinen Örtchen Schmiedefeld. Die Auswahl an Distanzen ist groß: In Oberhof startet der Halbmarathon und die 17km Nordic-Walking Tour. In Neuhaus startet der Marathon, die 42km Wanderung sowie der Special-Cross, eine Laufstrecke für Menschen mit geistiger Beeinträchtigung. Der Super-Marathon über 73,5km startet in Eisenach. In Schmiedefeld selbst werden noch unterschiedliche Kinder- und Jugendläufe angeboten. Alle großen Strecken führen großteils über den Rennsteig-Wanderweg und sind mit einigen Höhenmetern und anspruchsvollen Laufabschnitten gespickt. Insgesamt werden weit über 10.000 Läufer und Wanderer an der Startlinie stehen.

Ausgangslage und Ziele

Ursprünglich wollte ich hier meinen ersten Marathon laufen, das habe ich nun bereits im letzten Jahr in Bad Kissingen erledigt. Nun soll mich dieser Lauf auf mein Jahresziel, den Night52, vorbereiten. Der Night52 bietet etwa 920 Höhenmeter auf 52km, der Rennsteig Marathon etwa 700 Höhenmeter auf den 42,2km.  Wenn ich den Rennsteig gut überstehe bin ich auf einem guten Weg für meinen Lauf in Bretten. Auf ein Tapering habe ich verzichtet, vergangenen Sonntag legte ich einen Lauf über 36km, am Dienstag und Donnerstag jeweils Läufe über knapp 20km zurück. Am Folgetag des Rennsteiglaufs plane ich noch einen ruhig gelaufenen Trainings-Halbmarathon. Eine Zielzeit festzulegen fällt mir mal wieder schwer, in Vorfeld wurde mit der Rennsteig als anspruchsvoll beschrieben und auch die Menge an Höhenmetern wird neu für mich sein, ich peile daher ca. 4 Stunden an, hoffe jedoch unter der vier Stunden Grenze zu bleiben.

Meine Frau nimmt ebenfalls am Rennsteig teil, sie wird die 17km Nordic-Walking-Tour unter die Füße bzw. Stöcke nehmen.

Freitag

Die Organisation des Laufs stellt uns vor ein Problem: Meine Frau startet in Oberhof, ich in Neuhaus. Ein weiteres Problem ist der Umstand das bereits Freitag früh viele Straßenabschnitte zwischen den Startorten gesperrt sind, Schmiedefeld selbst wurde komplett für den Verkehr gesperrt. Obwohl wir nur ca. 150km von den Startorten entfernt wohnen, kommt daher nur die Anreise am Freitag in Frage. Da wir recht spät anfangen uns nach einer Unterkunft umzuschauen sind die attraktivsten Unterkünfte schon ausgebucht. Nach vielen hin und her entscheiden wir uns schließlich für ein Gemeindschaftsquatier im Örtchen Vesser, welches nur ca. 2,5km von Schmiedefeld entfernt liegt. Von hier aus gibt es (wie auch für viele andere Orte in der Region) eine organisierte Busverbindung an die Startorte.

Der Freitag beginnt zunächst wie gewohnt mit Arbeiten, ich mache etwas früher Schluss und bereite das Essen vor, meine Frau hat als Erzieherin leider nicht den Vorteil von Gleitzeit. Frisch gestärkt können wir so gegen 17 Uhr aufbrechen. Bereits am Vortag haben wir alles benötigte zusammen gepackt und ins Auto verfrachtet um etwas Zeit zu sparen. Die Startnummernausgabe endet um 21 Uhr, Google Maps prophezeit eine Fahrzeit von etwa 1,5 Stunden bis nach Neuhaus und dann nochmal etwa eine Stunde bis nach Oberhof. Wenn wir in keinen größeren Stau geraten und die Startnummernausgabe nicht zuviel Zeit in Anspruch nimmt sollte das klappen.

Wir haben Glück und erreichen Neuhaus nach Zeitplan, die letzten 20km führen dabei durch steile Serpentinen wie ich so bislang nur im Alpenvorland gesehen habe. Um uns herum dichter Wald mit mächtigen hohen Bäumen, ich bekomme hier schon einmal eine grobe Vorstellung von dem was mich morgen erwarten wird – mein Respekt vor der Strecke steigt.

Die Startnummern erhalten wir in einer Schule, gegenüber liegt eine Sporthalle, auf dem angrenzenden Sportplatz ist bereits das Marathon Tor zu sehen. Der Parkplatz ist überfüllt, meine Frau wartet im Auto um bei Bedarf Platz machen zu können und ich spute mich zur Ausgabe. Die Startnumernausgabe ist hervorragend organisiert: Für jeweils 500 Startnummern gibt es einen Schalter, an meinem stehen sogar gleich zwei Helfer bereit, nach keinen zwei Minuten halte ich meinen gelben Starterbeutel in den Händen.

Um nach Oberhof zu gelangen fahren wir zunächst zurück zur Autobahn, also noch einmal durch die ganzen Serpentinen hindurch. Während meine Frau fährt inspiziere ich den Inhalt der Starter-Tasche: Probepackung Sonnencreme, zwei Energie-Gels, mehrere Werbezettel, das übliche. An der Startnummer befinden sich noch ein paar Gutscheine: Einen für die Kloßparty, einen für eine Suppe im Ziel und schließlich noch einen Biergutschein, ebenfalls für das Ziel. Kaum haben wir die Autobahn erreicht beginnt es zu regnen, zunächst noch schwach, dann öffnet der Himmel die Schleusen. Ich hoffe das der Wetterbericht Wort hält und wir morgen davon verschont bleiben. Die Fahrt nach Oberhof ist nicht ganz so unproblematisch, die richtige Ausfahrt ist auf unserer Seite wegen Bauarbeiten am Tunnel gesperrt, so müssen wir fast 15km weiter fahren, dort von der Autobahn herunter und auf der Gegenseitige wieder auffahren und die 15km wieder zurück. Das kostet Zeit, dennoch erreichen wir Oberhof gegen 20:30. Zehn Minuten später nehmen wir die Startunterlagen meiner Frau entgegen. Nun wo alles erledigt ist schlendern wir zur „3-Felder-Halle“ hier findet die Kloß-Party statt. Party wird hier wörtlich genommen, schon von außen ist Schlagermusik zu hören. Die Halle ist gut gefüllt, als wir eintreten ertönt das Rennsteiglied und die Leute stehen auf den Tischen – somit schon ein Großteil der Klischees erfüllt die mir zu Ohren gekommen sind.

Rennsteig 2017

Leider bekommen die Nordic Walker keinen Essensgutschein, immerhin wird, hingegen der Ankündigung das die Gutscheine nur am jeweiligen Startort gültig sind, mein Neuhaus-Gutschein auch hier akzeptiert, andernfalls wären 8,50 € für die Portion fällig geworden. Da ich ohnehin keinen Hunger habe trete ich das Essen an meine Frau ab. Wir bleiben noch ein paar Minuten und schauen dem Treiben zu, dann müssen wir aber weiter. Wir wollen nicht gar so spät im Gemeindschaftsquartier auftauchen, die Ultra-Läufer müssen früh raus und wir wollen niemanden unnötig wachhalten. Inzwischen ist es dunkel geworden, ein dichter Bodennebel hat sich gebildet und noch immer regnet es.

Eine Nacht in Vesser

Der Offenstall, unser Quartier, ist eine gemütlich eingerichtet Halle. An einer Wand sind altertümliche Gegenstände der Feldarbeit ausgestellt, an der gegenüberliegenden Seite Informationstafeln mit historischen Informationen über die Gegend, alte Skier und Berichte über Skispringen machen die Liebe zum Wintersport deutlich. Es sind etwa 25 weitere Übernachtungsgäste anwesend, in zwei langen Reihen liegen ISO-Matten aneinander. Einige schlafen bereits, andere sitzen an bereitgestellten Bänken und unterhalten sich leise. Wir schleppen unsere sieben Sachen hinein und melden uns an, für die Übernachtung werden 6 € pro Person fällig, für mein Frühstück weitere fünf. Meine Frau wird in Oberhof frühstücken, ihr Bus geht früher als meiner nach Neuhaus. Bei der Anmeldung erfahren wir auch das der Bus direkt unterhalb des Gebäudes an der Straße abfährt – perfekt, damit ist für morgen alles geklärt. Wir bauen unser Nachtlager auf, legen die Laufsachen zurecht, die Startnummer wird bereits an das Startnummernband gepinnt. Gegen 22:15 ist alles erledigt, gerade Rechtzeitig denn das Hauptlicht wird gelöscht, nur ein Strahler an den Bänken, wo auch später das Frühstücksbuffet aufgebaut werden wird bleibt an, und strahlt mir dummerweise recht unangenehm ins Gesicht. Regen hämmert auf das Dach und übertönt das Geschnarche der Mitläufer, obwohl das alles im allem eigentlich recht behaglich ist, will sich lange kein Schlaf einstellen, es ist bereits nach Mitternacht als ich das letzte mal auf die Uhr schaue. Als ich wieder wach werde hat der Regen aufgehört, ich höre Schritte und leise Stimmen, das Frühstück für die Ultra-Läufer wird vorbereitet, es ist gerade einmal 1:30. Eine halbe Stunde später geistern die ersten Ultras umher um sich zu stärken, ich pendel zwischen dämmern und wach sein, etwa eine Stunde später wird es ruhiger, die Ultras sind auf dem Weg zum Bus und das Quartier hat sich merklich geleert. Endlich döse ich in einen unruhigen Schlaf. Um 4:15 ist die Nacht jedoch endgültig vorbei, der Transfer nach Oberhof rückt näher, das bedeutet die Halbmarthonis stehen auf und auch meine Frau muss sich langsam aber sicher vorbereiten. Auch ich stehe auf, werde jetzt ohnehin keinen Schlaf mehr finden. Mit mäßiger Begeisterung trete ich zum Frühstück an, die Auswahl ist gut: Brötchen, Brot, diverser Aufschnitt, dazu Tee und Kaffee. Obwohl ich keinerlei Appetit verspüre zwänge ich mir zwei Brötchen hinein, werde die Energie später brauchen. Im Anschluss baue ich unser Lager ab und verabschiede meine Frau. Mir ihr verschwinden viele weitere Läufer und zurück bleibt eine kleine Schaar an Marathonis. Die Zeit vergeht langsam, viel zu tun gibt es nicht mehr, umgezogen habe ich mich inzwischen, der Trinkrucksack, den ich auch heute mitnehmen werde, ist gefüllt, der Kleidersack mit trockener Wechselkleidung gefüllt und das übrige Gepäck wieder im Auto verstaut. Obwohl es jetzt noch sehr kalt ist habe ich mich für ein kurzes Lauf-Outfit entschieden, ich baue voll darauf das der Wetterbericht zutrifft und es trocken bleibt, und die Wärme kommt beim Laufen ganz von selbst.

Rennsteig 2017

Ich komme ein wenig mit den übrigen Läufern ins Gespräch und eine viertel Stunde vor Abfahrt des Busses gehen wir gemeinsam hinunter zur Straße. Der Bus wartet schon, noch leer, offensichtlich sind wir die erste Station. Perfekt! Ich tausche mich unterdes weiter mit einem Läufer aus, auch er nimmt den Rennsteig zum ersten Mal unter die Füße, ist eigentlich im Triathlon zu hause. Pünktlich setzt sich der Bus in Bewegung und wir sind auf dem Weg nach Neuhaus.

Vor dem Start

Der Bus fährt zunächst in das Ziel Schmiedefeld, ganze Heerscharen von Läufern drängen auf unseren Bus ein, überfüllt wird er jedoch nicht. Eine Läuferin, die sich zu uns setzt, erzählt das die ersten Busse immer überrannt werden, die letzten hingegen nahezu leer abfahren, die Organisation plant auf jeden Fall genug Kapazitäten ein um alle pünktlich zum Start zu bringen, dennoch bin ich froh nicht in der Masse warten zu müssen und habe das Gefühl mit Vesser alles richtig gemacht zu haben. Die Läuferin erzählt den Rest der Fahrt über von ihren bisherigen Rennsteig Erlebnissen, wann immer wir uns den Streckenverlauf nähern deutet sie hinaus und gibt Auskunft über den Abschnitt. Ich lausche interessiert glaube aber nicht irgendein Detail später zuordnen werden zu können. Die Busfahrt vergeht so wie im Fluge.

In Neuhaus angekommen möchte ich zunächst meinen Gepäcksack loswerden, der Abgabepunkt ist schnell gefunden, die Post Autos werden gerade geöffnet und Schilder für die Startnummernbereiche aufgehangen, ich muss mich noch ein paar Minuten gedulden bis es los geht. Wind und Schatten sind noch sehr kalt, aber inzwischen hat sich die Sonne hervorgetraut und nur noch wenige Wolken stehen am Himmel, das weckt die Lebensgeister.

Nachdem der Beutel abgegeben ist gehe ich in die Halle, hier herrscht reges Treiben, die letzten nehmen ihr Frühstück zu sich, andere ziehen sich um, Startnummern werden angepinnt. Der Sprecher im Startbereich wird über Lautsprecher in die Halle übertragen. Ich suche mir einen Platz und warte. Ich nutze die Zeit um den ein oder anderen Läufer bei seinen Startvorbereitungen zu beobachten: Massenhaft Energie-Gels werden eingeworfen sowie Bananen vertilgt. Mir kommt das etwas übertrieben vor. Sicher braucht man Energie, aber jetzt, fast noch eine Stunde vor dem Start, Energie-Gel? Ich selbst habe drei Gels und einen Müsli-Riegel dabei. Ich plane davon zwei Gels zu nutzen, das erste nach 20, das zweite nach 30 Kilometern, der Rest ist Reserve – mehr für den Kopf als für den Körper. Wie wichtig der Kopf beim Marathon laufen ist werde ich später noch einmal erfahren.

Rennsteig 2017

Gut zwanzig Minuten vor dem Start verlasse ich die Halle und schlender in den Startbereich. Noch stehen die Läufer hier locker verteilt, eine Blaskapelle sorgt zusammen mit Moderator und Gästen für Stimmung. Ein Hubschrauber kreist über uns, ein weiteres Spalier Kameras hat auf Höhe des Marathontors Position bezogen. Nach und nach füllt sich der Startbereich, schließlich ist es soweit: Rennsteiglied und Schneewalzer werden angestimmt, kurze Zeit später der Countdown heruntergezählt, Startschuss und los. Los – zumindest für die vorderen Reihen, bei mir tut sich noch nichts. Das liegt vor allem daran das sich ein zweiter Strom von links mit unserem vereinigt, das hatte ich irgendwie übersehen. Als ich fünf Minuten später endlich die Startmatte überquere befinde ich mich sehr weit hinten im Feld.

Rennsteig 2017

Das Rennen

Unter reichlich Applaus von Zuschauern verlassen wir das Areal der Schule und biegen nach links in eine breite Wohnstraße ein. Sofort geht es sanft bergauf, von Laufen kann kaum die Rede sein, immer wieder trete ich mehr auf der Stelle weil der Strom der Läufer ins Stocken gerät. Das Feld ist so eng beisammen das, dass Überholen schwierig ist. Schon jetzt, an diesem kleinen Hügel, verfallen die ersten ins Gehen, bei den Meisten wird es wohl zur Taktik gehören, manch einer wirkt schon jetzt, nach noch nicht mal einem Kilometer, sichtlich angestrengt. „Ihr werdet noch viel Spaß haben“ geht mir durch den Kopf und „Danke das ihr trotzdem soweit vorne starten musstet…“. Unser Weg flacht ab, wir laufen am Bahnhof vorbei und auf einen Kreisel zu. Die Straße ist gesäumt von Zuschauern: Klatschend, Ratschen schwingend, Banner präsentierend. Über uns zieht der Hubschrauber nach wie vor seine Kreise. Was Stimmung angeht wurde nicht zuviel versprochen!

Rennsteig 2017

Im Kreisel geht es links ab und auf den Ortsausgang zu, ich erkenne die Strecke, es ist der gleiche Weg den wir gestern genommen haben als wir die Startunterlagen abgeholt haben. Inzwischen hat sich das Feld etwas gelockert und ich beginne im Zick-Zack Plätze gut zumachen. Wir haben gerade das Ortsschild hinter uns gelassen als vor mir ein bekanntes Trikot auftaucht – das muss Michael sein, ich habe ihn auf meinem ersten Marathon in Bad Kissingen kennen gelernt. Schnell schließe ich auf und er ist es tatsächlich. Ich freue mich wirklich ihn zu sehen, wir unterhalten uns ein wenig über die vergangene Zeit und ich erfahre das er hier und heute seinen 100. Marathon abschließen wird. Herzlichen Glückwunsch! Zwei Kilometer verbringen wir zusammen bis er sich zurückfallen lässt und mir signalisiert weiter zu laufen. Zu beiden Seiten liegt dichter Wald, der Straßenverlauf ist wellig, aber mühelos zu laufen. Nach etwa fünf Kilometern geht es steil bergab und durch eine Serpentine hindurch auf den ersten Verpflegungspunkt zu. An langen Tischen steht Wasser, Tee, Schorle und Cola bereit. Ich greife bei letzterem zu, ich habe Respekt vor der Strecke und möchte daher früh anfangen ein paar Kalorien zuzuführen und Wasser habe ich in meinem Trinkrucksack ohnehin dabei.

Rennsteig 2017

Nach dem Versorgungspunkt geht es rechts eine kurze Rampe hinab, durch Regen und Tausende Füße reichlich klitschig, wir verlassen die Straße und befinden uns nun endlich auf dem Rennsteig. Wie ein grüner Tunnel baut sich der schmale Pfad vor mir auf. Der Weg bietet drei vielleicht vier Läufern nebeneinander Platz, durch den starken Regen haben sich jedoch große Fützen gebildet denen man versucht auszuweichen, so dass der Platz noch etwas geringer ausfällt. Überholen ist hier nur zeitweise gefahrlos möglich. So bescheide ich mich damit im Gänsemarsch durch den Wald zu laufen und genieße stattdessen die Natur um mich herum. An einer geeigneten Stelle schere ich aus um ein paar Bilder einzufangen, leider erweißt sich meine Handy Kamera als mäßig brauchbar, denn von den vielen Bildern die ich ich in den nächsten Stunden aufnehme gelingen nur die wenigsten.

Rennsteig 2017

Etwa 2,5 Kilometer folgen wir dem Waldweg und verlieren dabei beständig leicht an Höhe bis wir schließlich aus dem Wald ausgespuckt und in ein kleines Dörfchen entlassen werden, hier werden wir von reichlich Zuschauern empfangen. Schnell ist der Ort durchquert und auf der gegenüberliegenden Seite geht es wieder in den Wald hinein, hier wartet der erste echte Anstieg auf uns: Ein schmaler Pfad windet sich den Hang hinauf, die Läuferkette kommt hier wieder arg ins Stocken, viele gehen. Ich weiche auf einen schmalen Seitenstreifen aus der etwas über dem Weg liegt, über Würzeln und Gestein steppe ich so den Hang hinauf, die gewonnene Zeit opfere ich oben für ein paar Schnappschüsse. Kaum den Hang erklommen öffnet sich zu unserer linken Seite eine weite Lichtung, wir laufen diese auf einem Wiesenweg am Waldrand ab. Es geht nach wie vor bergan, jedoch längst nicht mehr so steil.

Rennsteig 2017

Wir tauchen erneut in den Wald ein, laufen weiter bergan bis wir etwa einen Kilometer später den nächsten Versorgungspunkt erreichen. Wir biegen auf eine Landstraße ein und folgen dieser für gut einen Kilometer bis wir erneut in den Wald einbiegen. Wenig später erreichen wir eine weitläufige Lichtung, hier, ohne den Schutz der Bäume, heizt die Sonne schon ziemlich ein, ich bin froh trotz morgendlicher Kälte in kurzer Laufgarnitur gestartet zu sein. Wir folgen der Lichtung für einen Kilometer, immer am Waldrand entlang bis wir wieder in den Wald einbiegen, es geht die ganze Zeit über sanft bergab, was kraftsparendes Laufen ermöglicht. Der Waldweg ist kurviger und breiter als die bisherigen Abschnitte des Rennsteigs, jedoch auch häufig durchzogen mit Wurzeln, Steinen und vor allem riesigen Fützen und schlammigen Passagen. An dieser Stelle macht der Rennsteiglauf der Bezeichnung „Crosslauf“ alle Ehre. Der Abschnitt ist anspruchsvoll macht jedoch auch richtig Spaß, in höchster Konzentration heißt es durch den Wald zu laufen, zu springen und Lücken zum Überholen zu suchen. Ich komme zügig voran, meine Kilometerzeiten liegen bei etwa 5 Min/KM ich mache also wieder etwas Zeit gut.

Rennsteig 2017

Nach insgesamt etwa 16 Kilometern haben wir vorerst das Ende der „Abfahrt“ erreicht, nun beginnt ein längerer Anstieg auf den Masserberg. Der Pfad ist ziemlich eng so das erneut Gänsemarsch angesagt ist. Mein Blick ist auf den Boden geheftet um sicheren Tritt zu finden. Doch irgendetwas stimmt nicht, es trifft mich wie ein Schlag: Meine Startnummer ist weg. Ich taste nach meinem Startnummernband kann es jedoch nicht finden. Leicht panisch blick ich zurück, in unmittelbarer Nähe ist es sie nicht zu sehen. Wann hatte ich sie zuletzt? Ich weiß es nicht, habe nicht weiter auf die Nummer geachtet seit ich los gelaufen bin. Kurz überlege ich ein Stück zurück zu laufen um zu suchen, aber der Pfad ist zu eng und da ich nicht weiß wann ich sie verloren habe wäre es ohnehin sinnlos. Ich blicke zu meinem rechten Schuh, der Champion-Chip zur Zeiterfassung ist zum Glück noch da. Dennoch gehen mir alle möglichen Gedanken durch den Kopf: „Werde ich aus dem Rennen genommen? Nimmt man nicht Leuten die Startnummer ab die disqualifiziert werden? Bekomme ich überhaupt noch was an den Verpflegungspunkten? Bekomme ich am Ende meine Finisher Medaille?“ Alles natürlich Unsinn, die Zeiterfassung erfolgt über den Chip, Disqualifizierte werden sicher ebenso elektronisch erfasst und an den Versorgungspunkten herrscht so ein Gedränge das ohnehin niemand Zeit hätte die Nummer zu kontrollieren, dennoch wirft mich der Verlust komplett aus der Bahn. Den Hersteller des Bandes verfluchend laufe ich also weiter.

Der Pfad wird breiter und flacht ab und wenige Minuten Später ist das einstweilige Ende des Anstiegs erreicht, ein großes Transparent kündigt die Bergwertung „Turmbaude“ an, der Masserberg ist gleich erreicht. Kurz darauf erreiche ich den größten Versorgungspunkt des Laufes und wohl auch den größten Versorgungspunkt den ich jemals gesehen habe. Die vielen Buden erinnern an einen Weihnachtsmarkt und  führen in einem Halbrund um den (Funk?)Turm herum, die Büdchen sind beschriftet: Wasser, Cola, Schorle, Tee, Obst, Wurst und den berüchtigten „Schleim“ gibt es hier. Bei letzterem handelt es sich um Haferschleim mit unterschiedlichen Zusätzen – hat man mir zumindest gesagt. Die Verkostung ist eigentlich Pflicht, aber so früh im Rennen möchte ich mir es noch nicht mit meinem Magen verscherzen, ich mache daher einen Bogen um den Stand un schnappe mir einen Becher Wasser und einen Becher Cola.

Rennsteig 2017

Direkt nach dem Versorgungspunkt geht es zunächst sanft dann steil bergab, wir durchqueren den Rand eines Dörfchen, an einem großen Parkplatz vorbei und ein Stück über offenes Gelände bis wir wieder den Waldrand erreichen und diesen weiter folgen. Die verlorenen Höhenmeter geht es nun bereits wieder bergauf und schon bald sind wir weiter beidseitig von Wald umschlossen. Wir folgen diesem Weg bis vor uns eine Zeitmessung auftaucht, die Halbmarathon Marke ist erreicht. Ein Blick auf die Uhr zeigt 1:59, angesichts der vielen Behinderungen nicht schlecht, ob die „Sub 4“ noch erreichbar sind ist mir im Augenblick aber egal. Mehr Sorge bereiten mir gerade die vier, fünf Offiziellen die am Messpunkt stehen und meine fehlende Startnummer. Niemand hält mich auf, ich kann die Matte ungehindert passieren, ein beruhigender Piepser der Zeiterfassung bestätigt mir das ich noch im Rennen bin. Nach der Matte knickt der Weg scharf nach rechts ab und es geht eine kurze Rampe hinunter an dessen Ende ich beinahe in meinen Vordermann bretter: Stau, der Weg verengt sich zu einem Single-Trail und führt steil bergab. Bereits im Bus hat man mir von dieser Stelle erzählt und das hier mit großer Wahrscheinlichkeit gehen angesagt ist.

Rennsteig 2017

Der Pfad führt über rutschige Steine, Wurzeln, einige Holztreppen, ab und zu kann ich kurze Abschnitte langsam laufen, die meiste Zeit ist jedoch in der Tat gehen angesagt. Der ein oder andere Versucht an den Rändern zu überholen. In meinen Augen zu gefährlich und das Risiko nicht Wert, gerade durch den vielen Regen des letzten Tages muss ich auch so schon genug darauf achten nicht auszurutschen. Ich genieße daher einfach den Weg und nutze die unfreiwillige Gehpause um mein erster Energie-Gel zu mir zu nehmen. Bislang fühle ich mich gut, die vielen nicht ganz freiwillig langsamer genommenen Abschnitte sparen Kräfte, gut so, denn laut Höhenprofil kennt die Strecke nun bis etwa KM 32 im Großen und Ganzen nur noch eine Richtung: Aufwärts. Dennoch ist mir klar das nach diesem Abschnitt mein Ziel den Lauf in weniger als vier Stunden zu beenden in unerreichbare Ferne gerückt sein dürfte.

Rennsteig 2017

Der Singletrail endet, am Auslauf, wo der Weg wieder breiter wird, werden wir von Fotografen unter Beschuss genommen und kommen an einem weiteren Stimmungscamp vorbei. Wir folgen ein kurzes Stück der Straße und biegen dann auf eine Wiese ein. Der weiche Wiesenboden kostet ein paar Körner, entschädigt dafür mit optischen Reizen. Nachdem die Wiese überquert ist biegen wir wieder auf die Straße ein. Endlich genug Platz zu haben tut gut, ich nehme Geschwindigkeit auf und laufe den Berg hinauf. Viele gehen und so kann ich gleich Gruppenweise überholen, das motiviert unheimlich und ist auch eine gute Bestätigung dafür das ich auf einem guten Weg für den Night52 bin: Die Berge klappen! Der erste Anstieg ist geschafft, die Straße führt wieder ein Stück hinab nur um direkt wieder in den nächsten Anstieg überzugehen, dieses Spiel wiederholt sich auf den folgenden drei bis vier Kilometern noch mehrfach bis wir schließlich die Straße verlassen und links in den Wald eintauchen.

Rennsteig 2017

Es wird wieder steil und schmal und ich muss einen Gang zurück schalten, doch schließlich ist auch dieser Anstieg bezwungen. Wir traben ein Stück auf ebenem Gelände bis wir wieder auf die Straße stoßen und in einer langgezogenen und abfallenden Rechtskurve auf das Örtchen Kählert zusteuern. Auch in Kählert werden wir enthusiastisch empfangen, Zuschauer auf beiden Seite des Weges dazu spielt eine Kapelle, viel Zeit das zu würdigen haben wir nicht, denn schon sind wir durch den Ort hindurch und folgen wieder einem geteerten Wanderweg und natürlich geht es wieder aufwärts. Zu beiden Seiten des Weges erstrecken sich weitläufige Wiesen und Viehweiden, umrahmt von den Thüringer Wäldern. Der Anstieg ist genommen und wieder geht es bergab bis wir bei etwa KM28 Neustadt am Rennsteig erreichen.

Rennsteig 2017

Auch im Ort geht es streng aufwärts, nahe des Ortseingang motiviert uns ein Schild zum Durchhalten „Nächster Versorgungspunkt 1000m“. Zunächst ist mir nicht ganz klar was ich hier gerade vermisse, bis ich das Ende der Straße erreiche und rechts einbiege um den nächsten Verpflegungsstand anzusteuern: Einwohner. Scheinbar hat sich ein Großteil des Örtchens hier versammelt, von beiden Seiten der Strecke aus jubelt man uns zu und treibt uns so den Hang hinauf. Die Straße verengt sich etwas und der Versorgungspunkt taucht von mir auf. Ich bleibe bei bewährtem: Cola und Wasser. Es geht durch eine Gasse hindurch auf die Hauptstraße des Ortes, weiterhin geht es sanft bergauf. Wir kommen an einem Kreisel vorbei auf dessen Insel das Rennsteiglogo Prangt. Ganz ähnlich habe ich das kurz nach dem Start in Neuhaus gesehen, jetzt nehme ich mir die Zeit für ein Foto eh ich meinen Weg fortsetze.

Rennsteig 2017

Wir folgen der Hauptstraße noch für ein paar Minuten bis wir uns nach links wenden und den Ort verlassen. Vor mir liegt eine weit ausladende Wiese mit Fernblick, wir laufen über einen schmalen, und etwas matschigen Pfad hinweg. Es geht auf die Mittagsstunde zu und die Sonne steht hoch am Himmel, die Temperatur ist angenehm, in der Sonne recht warm, aber durch einige Wolken und leichten Wind auch nicht zu warm – perfektes Laufwetter, der Wetterbericht scheint Wort zu halten. Inzwischen sind 29km geschafft, die letzten Anstiege spüre ich durchaus, aber noch ist reichlich Kraft vorhanden, mein Zwischenziel ist KM 32: Bis dahin habe ich einen Großteil der Höhenmeter abgeleistet zum anderen sind es dann nur noch 10KM.

Rennsteig 2017

Die Wiese führt uns Talwärts, wir laufen auf einem Trampelpfad neben einer Landstraße entlang. Auch hier hin hat es einige Zuschauer verschlagen die, die Straße mal eben zum Parkplatz umfunktioniert haben. Wir biegen nach links ein und betreten somit wieder den Wald. Der Weg wird steil, steiler und geht in die schlimmste Rampe des ganzen Laufs über. Alle vor mir gehen, ich laufe bis mir die Geher den Weg versperren, umlaufen wäre sicher möglich, aber ein paar Kilometer habe ich noch vor mir und zu viele Kräfte möchte ich  hier auch nicht einbüßen, also füge ich mich und schließe mich der Wanderung an. Die Rampe ist steil, aber kurz. Nach etwa einer Minute wird es flacher und ich laufe erneut an. Der Pfad führt weiter bergwärts, lässt sich aber gut laufen. „Flap, Flap, Flap…“ wir überqueren gerade eine Landstraße und irgendwie geht mir dieses flatternde Geräusch auf die Nerven. Ich drehe mich um, aber tatsächlich ist 5m vor und hinter mir kein anderer Läufer zu sehen. Seltsam. „Flap, Flap, Flap…“ Es hört nicht auf, ich taste an meinem Rucksack ab, irgendwas baumelt da, ich greife danach und halte meine Startnummer, samt Band in den Händen. Das Band hatte sich unter mein Laufshirt geschoben und ist nach hinten gewandert, ich hatte das Teil nie verloren! Wenn es noch einen Beweis dafür gebraucht hat das Langstrecken Läufe zeitweise blöd im Kopf machen wäre er hiermit vollbracht.

Meine Stimmung steigert sich schlagartig, ich werfe einen Blick auf die Uhr: 31km sind gelaufen, recht genau 3 Stunden habe ich dafür gebraucht, ich müsste etwas unter 5:30 bleiben, dann würde ich die Sub4… ich nehme Fahrt auf, für ein paar Minuten scheint mir alles möglich, jede Müdigkeit ist aus den Beinen verschwunden – Marathonlauf ist eindeutig Kopfsache.

Es dauert nicht lange bis ich wieder auf dem Boden der Tatsachen lande, der Pfad wird etwas enger und steiler und schon kommt die Läuferkette wieder ins Stocken, das bremst nicht einmalig übermäßig viel, aber mir wird klar das ich die 5:20 – 5:30 nicht durchgängig werde laufen können und jeder Kilometer im 6er Schnitt macht das Unterfangen Sub4 noch unmöglicher. Ich finde mich damit ab das dieses Ziel heute nicht mehr zu erreichen ist, unter 4:10 sollte jedoch auf jeden Fall drin sein und wird somit als neues Ziel auserkoren.

Nach gut 33km erreiche ich den vorletzten Versorgungspunkt. Hier gäbe es die Möglichkeit vorzeitig aus dem Rennen auszusteigen. Zwischen den Ständen entdecke ich eine von Flatterband umrandete Gruppe von Bierbänken und Tischen, beschriftet mit „Wartezone für Abbrecher“ (oder so ähnlich, den genauen Wortlaut habe ich nicht mehr im Kopf), auf mich wirkt der Bereich wie eine Mischung aus Pranger und Gefängnis – als wäre das Einbrechen nicht schon schlimm genug soll man hier gut sichtbar für alle als Aussteiger gebrandmarkt warten während die noch kräftigen Läufer an einem vorbeiziehen? Erfreulicherweise ist dieser Wartebereich leer. Ich erinnere mich an mein zweites geplante Gel und spüle den Glibber mit einem Becher Wasser runter.

Ich verlasse den Versorgungsbereich und biege nach links ab, wir überqueren eine von zwei Polizisten für uns gesicherte Straße und stoßen auf einen angenehm breiten Pfad der in sanftem auf- und ab durch den Wald führt. Der Abschnitt ermöglicht einfaches kraftsparendes Laufen da ich inzwischen die bereits gelaufenen Kilometer recht deutlich spüre ist das eine Wohltat. Wir folgen dem Weg weiter und überqueren erneut eine bewachte Straße. Die Beschaffenheit des Weges ändert sich auch im folgenden Waldabschnitt nicht, leider muss ich Zeuge werden das es dennoch gilt wachsam zu bleiben: Eine Läuferin, vielleicht zehn Meter vor mir, kommt ins Stolpern, stürzt hart und bleibt mit Schmerzverzerrtem Gesicht liegen. Sofort sind zwei weitere Läufer zur Stelle und auch ich sehe nach ob ich helfen kann. Die Beiden versuchen die Frau aufzurichten, vergebens, Sie kann das Bein nicht belasten und hat offensichtlich große Schmerzen. Ich biete an zurück zur Straße zu laufen, dort waren Polizisten die Hilfe verständigen könnten. Eine der Beiden Helfer scheint die Strecke jedoch zu kennen und meint das wir besser weiter laufen, da wir den Wald in Kürze verlassen werden und dort mit Sicherheit auf Streckenposten stoßen werden. Wir setzen uns in Bewegung. Der Vorfall hat der Stimmung einen gehörigen Dämpfer verpasst. Ich versuche an den beiden Helfern dran zu bleiben, die jedoch schneller sind als ich. Wie angekündigt verlassen wir kurze Zeit später den Wald, ich sehe die Zwei sich gerade wieder von einem Streckenposten lösen und bestätigen: „Rettung ist informiert“.

Rennsteig 2017

Wir folgen für ein paar hundert Meter einer Landstraße und kommen dabei an einer großen Kapelle vorbei, viel Aufwand den wir leider nur wenige Sekunden wertschätzen können eh wir wieder im Wald verschwinden und die Musik von den Bäumen geschluckt wird. Ein breiter Forstweg führt schnurgerade durch den Wald und gewinnt dabei rasch an Höhe. Viele sind ins Gehen verfallen und auch mich strengt dieser Anstieg inzwischen ordentlich an, fast einen Kilometer geht es so aufwärts bis die Kuppe erreicht ist. Nach wenigen flachen Metern geht es bereits wieder bergab und am Ende des Weges kann ich bereits den letzten Versorgungspunkt ausmachen. Das besondere: Hier wird Bier ausgeschenkt. Ich bin wahrlich kein großer Biertrinker, aber Tommi, aus dem Laufforum, hat uns beauftragt hier eins für ihn mitzutrinken. Er kann dieses Jahr leider nicht teilnehmen, ich habe vor ihm diesen Gefallen zu erweißen. Auf den Weg hinab entdecke ich jedoch zunächst noch ein Transparent das es wert ist abgelichtet zu werden: Ein früher Hinweis auf ein Schlittenhunderennen im nächsten Jahr:

Rennsteig 2017

Ich wusste bereit das die Trans Thüringia am Rennsteig stattfindet, das auch Frauenwald hier in der Gegend ist jedoch nicht. Die Trans Thüringia ist das längste Schlittenhunderennen in Deutschland, auf sieben Etappen werden insgesamt etwa 280 Kilometer zurückgelegt. Ich möchte in einigen Jahren selber an diesen Rennen teilnehmen.

Doch nun steht erst einmal der Versorgungspunkt an, auch hier hin hat es einige Zuschauer verschlagen, ein Moderator kündigt einige der ankommenden namentlich an. Ich schnappe mir zunächst einen Becher Wasser und dann den versprochenen Becher mit Bier. Prost Tommi, ich hoffe du kannst dir den Becher nächstes Jahr wieder selber abholen!

Der Bierausschank scheint sich generell großer Beliebtheit zu erfreuen, ein Läufer vor mir balanciert gleich mit drei Bechern davon. Ich gönne mir eine kurze Gehpause um in Ruhe zu trinken, anders würde ich die Becher auch nicht vor dem Ende der Umweltzone geleert bekommen. Hinter jedem Versorgungspunkt gibt es eine Umweltzone, genutzte Becher und Gel Tütchen sind in diesem Bereich zu entsorgen. Letztes Jahr wurden wohl recht viele Becher und Geltüten im Wald entsorgt, mir ist zumindest bislang erfreulich wenig Müll abseits der Umweltzonen zu Gesicht gekommen.

Nur noch fünf Kilometer bis zum Ziel, nachdem was ich gehört habe sollte es jetzt im Großen und Ganzen bis nach Schmiedefeld nur noch bergab gehen. Wir biegen nach rechts ab und laufen parallel zu einer Landstraße auf einem schmalen Pfad. Viel Platz zum überholen ist nicht, aber inzwischen hat sich die Läuferkette so weit verdünnt das dies kein Problem mehr darstellt. Schon bald wird der Weg breiter und wie angekündigt leicht abschüssig, das Laufen kostet kaum Kraft dazu Sonne: Herrlich.

Rennsteig 2017

Nach einem Kilometer verlassen wir die Straße und biegen in einen breiten Wirtschaftsweg ein. Es geht noch einmal kurz leicht bergan doch schon bald flacht der Weg wieder ab. Am Ende einer lang gezogenen Linkskurve erreichen wir eine Lichtung, unser Weg führt steil bergab über groben spitzen Schotter, Füße und Beine werden noch einmal richtig bearbeitet. Am Fuß des Gefälles entdecke ich Kilometertafel 40, sehr bald werden wir Schmiedefeld erreichen. Zunächst gilt es noch einmal eine steile Rampe zu erklimmen, dann liegt eine breite gerade Straße vor uns. Am Straßenrand steht Auto an Auto, einige Läufer laden ihre Sachen ein bestätigen wir uns was wir schon wissen: „Gleich habt ihr es geschafft!“

Wir erreichen den Ortsrand und lassen den Wald zurück. Für uns Läufer ist ein Streifen abgesperrt. Es geht steil hinab in den Ort, Zuschauer stehen in Grüppchen beisammen und feuern uns an. Eine Frau steht auf einer Mauer und ruft uns entgegen: „Im Ziel wartet die Medaille auf euch.“ Keine hundert Meter später ruft uns ein junger Mann entgegen „Im Ziel gibt’s Bier.“ Welcher von Beiden mit seiner Botschaft wohl mehr zu motivieren vermag?

Die Zuschauerschar nimmt zu, Musik und Moderation ist zu hören, von einem Wagen ausgehend, Kinder stehen am Rand und halten die Hand raus um abgeklatscht zu werden. Ich bin bester Laune und erfülle diese Wünsche gerne. Auf Höhe der Moderation werden wir zum letzten Anstieg geleitet: Der Weg hinauf zum Sportplatz. Eine Scharr von Menschen kommt uns links entgegen, Läufer die ihr Ziel schon erreicht haben, viele klatschen uns den Berg hinauf, andere wirken müde und erschöpft. Der Anstieg zieht sich, will einfach kein Ende nehmen, eigentlich würde ich gerne Fotos machen, aber so kurz vor dem Ziel kann ich mich zu keiner Pause mehr hinreisen. Endlich ist das Ziel erreicht, es geht rechts ab, noch eine Dreiviertelrunde um den Sportplatz steht an. Die Ränder sind mit Zuschauern gesäumt und ich genieße den Einlauf. Noch zweimal links abbiegen dann sehe ich das Marathontor vor mir. Nach 4:05:46 überquere ich die Ziellinie.

Rennsteig 2017

Ergebnis: Offizielle Zeit 4:05:41, Gesamtplatz 741, 102 in M30.

Nach dem Lauf

Meine Frau wartet bereits im Ziel auf mich. Nach einer Begrüßung tauschen wir uns kurz über die Läufe aus, auch sie hatte etwas mit der vollen Strecke zu kämpfen ist ansonsten aber gut durch gekommen. Wir versorgen uns noch eine Weile am Zielbuffet und brechen dann auf um unsere Taschen von der Gepäckwiese abzuholen. Die Sonne ist inzwischen hinter einigen Wolken verschwunden und durchgeschwitzt wird es so doch recht schnell kühl. Im Ziel selbst herrscht Volksfeststimmung, Kinder mit bunten Ballons, Buden, Grillstände, Festzelte, Musik… Mein Beutel ist schnell gefunden, die Taschen sind nach gelaufener Distanz sowie nach Startnummernbereichen sortiert. Leider können wir nirgendwo ein Schild für die 17km Walker entdecken. Schließlich verlassen wir erst noch einmal die Wiese und schauen nach ob es irgendwo noch eine zweite Gepäckdeponie gibt, da wir nicht fündig werden erkundigen wir uns bei einem Walker der seine Tasche bereits geschultert hat und erfahren wo wir suchen müssen: Auch auf der Wiese, jedoch nicht beschildert ganz vorne links, dort ist der Beutel dann auch schnell gefunden. Nach dem Umziehen verbringen wir noch knapp zwei Stunden im Gewusel, essen etwas, schauen uns die Stände an und lassen uns noch unsere Urkunden ausdrucken. Danach wollen wir los, die abendliche Party im Zelt hat zwar ihren Ruf, aber Bierzeltmenschen sind wir zwei nun wahrlich nicht. An der Information erkundigen wir uns wo die Busse fahren, dort angekommen warten bereits hunderte auf ihre Rückreise. Etwas ratlos versuchen wir herauszufinden welche der beiden Buslinien nach Vesser fährt, worauf uns jedoch niemand Antwort geben kann. Auf der Hinreise war Vesser der Start beider Linien. Schließlich entscheiden wir uns dazu zu laufen, es sind nur gut zwei Kilometer, das sollte auf jeden Fall schneller gehen als auf einen Platz im Bus zu warten. Wir sind offensichtlich nicht die einzigen die sich für diese Variante entscheiden denn vor und hinter uns können wir weitere Fußgänger ausmachen. Nach einer halben Stunde haben wir Vesser erreicht und können abreisen. Jedoch leichter gesagt als getan – um auf die Autobahn zu kommen müssten wir durch Schmiedefeld, und Schmiedefeld ist nach wie vor gesperrt. Eine andere richtige Straße aus dem Ort gibt es schlicht nicht. Schließlich entdecken wir eine abenteuerliche Umleitung die uns mehrere Kilometer lang über schmale Waldwege führt bis wir endlich wieder eine richtige Straße erreichen und dem Heimweg somit nichts mehr im Wege steht.

Der Tag danach

Wie geplant bin ich am folgenden Tag noch einen Trainingshalbmarathon gelaufen. Alles im allen gelang dieser recht gut, wobei sich die Anstrengung vom Vortrag durchaus bemerkbar gemacht hat, etwa 10 bis 15 langsamer war ich auf jedem Kilometer und obendrein recht glücklich als der Lauf dann nach 21km zu Ende war.

Fazit

„Einmal Rennsteig immer Rennsteig?“ Weiß ich nicht, der Rennsteig war zweifelsfrei ein intensives Erlebnis an das ich gerne zurückdenken werde. Strecke und Organisation konnte mich hier voll überzeugen: Startnummernausgabe, Unterkunft, Transfer, Verpflegung hat alles im allen sehr gut funktioniert. Auch Vesser als Unterkunft hat sich als echter Glücksgriff erwiesen. Auf der anderen Seite gibt es viele schöne Strecken in Deutschland die es wert sind gelaufen zu werden. Ich sehe es daher eher als eine Frage des „wann“ als des „ob“ ich das angeblich „schönste Ziel der Welt“ – Schmiedefeld, wiedersehen werde.

Update: Wieso ich inzwischen bereits für den Supermarathon 2018 gemeldet bin ist eine andere Geschichte…

Mein ursprüngliches Ziel, innerhalb von vier Stunden das Ziel zu erreichen, konnte ich nicht ganz erreichen, stören tut mich das aber nicht, ich hatte viel Spaß auf der Strecke und eine wichtige Erkenntnis gewonnen: Ich bin auf einem guten Weg für mein Jahresziel, zwar war ich im Ziel durchaus angestrengt aber noch lange nicht am Ende meiner Kräfte. Auch die vielen Höhenmeter sind mir überraschend leicht gefallen.

1 Kommentar

Schreibe einen Kommentar